„Affairs of the Heart“ von David Dawson

„Affairs of the Heart“ von David Dawson. Tanz: Ensemble.

„Gewinne die Jungs“

Bildungsprogramme für den Tanz

Das Gärtnerplatztheater und das Bayerische Staatsballett in München rücken den Tanz mit Kreativität ins Scheinwerferlicht.

München, 02/06/2022

Inzwischen gehört es zum Standard, dass Theater über spezielle pädagogische Bildungsprogramme oder auch Konzepte verfügen zur Gewinnung des Publikums von morgen. Die Bandbreite reicht von Einführungsveranstaltungen für das interessierte, erwachsene Publikum, über spezielle Programme für Studierende oder auch für Schüler*innen bis hin zu Angeboten für Kindergartenkinder und deren Familien. Dabei kommt den pädagogischen Programmen für und mit Schulen eine außergewöhnliche Bedeutung zu: Lehrer*innen und auch ihre Schüler*innen fungieren als Multiplikatoren. Längst ist es offenkundig, dass Schulen und Theater gleichermaßen zwar von diesem pädagogischen Austausch profitieren. Doch führen die pädagogischen Programme in der Öffentlichkeit im Vergleich zum regulären Opern-/Tanzbetrieb eher ein Schattendasein - zu Unrecht.

Fortbildungen wie die des Gärtnerplatztheaters und des Bayerischen Staatsballetts dienen dem Abbau von Klischees und beantworten Fragen wie z.B. diese: „Was machen Musiker*innen oder das Ballett am Tag?“ Genau an diesem Punkt setzt z.B. das Gärtnerplatztheater mit der Lehrerfortbildung „Bewegte Klasse – Entwicklung tänzerischer Bewegungen bis hin zur Choreografie“ an. Die Tanzpädagogin Caroline Tajib-Schmeer, „verkauft“ den Tanz in der Schule als sportlichen Wettbewerb, um ein breites Publikum zu erreichen. Deshalb stellt sie in den Mittelpunkt ihres Konzeptes ihren selbstgewählten Auftrag: „Gewinne die Jungs“. Eine tänzerische Vorbildung bei Teilnehmer*innen (also des Lehrpersonals) und Schüler*innen ist nicht Voraussetzung. Vielmehr soll diese Fortbildung dazu anregen, aus Bewegungen und freien tänzerischen Elementen Bewegungsbilder erste, einfache Choreografien entstehen zu lassen - zunächst einzeln, dann in Kleingruppen. A propos Bilder: Einzelne Bildkarten mit Figuren oder Posen eignen sich als Inspirationsquelle für erste Bewegungsbilder.

Wie oft, so heißt es auch hier: Der Weg entsteht zwar im Gehen. Doch bei aller Spontaneität orientieren sich die Fortbildungen, die theaterpädagogischen Begleitprogramme oder auch z.B. der 14-tägig stattfindende Tanzworkshop „Grenzenlos in Bewegung“ von Alan Brooks (Gärtnerplatztheater) am Spielplan des jeweiligen Opernhauses der jeweiligen Spielzeit. Dennoch gilt: Fächerübergreifenden Projekten sind keine Grenzen gesetzt. Für jüngere Kinder kam im Gärtnerplatztheater „Peter Pan“ in Frage. Jugendliche oder auch Erwachsene, die sich mit Themen wie Klimawandel und weiteren politischen Themen auseinandersetzen wollen, werden in Ina Christel Johannessens „Der Sturm“ nach Shakespeare mit diesen brennenden Fragen in aufrüttelnder Weise konfrontiert.

Auch das Bayerische Staatsballett verfolgt mit ihrer Lehrerfortbildung „Der Eigensinn der Bewegung“ und ihren pädagogischen Begleitprogrammen dasselbe Ziel wie das Gärtnerplatztheater, nämlich Berührungsängste abzubauen, die künstlerische Arbeit einem breiten Publikum auf vielfältige Weise zugänglich zu machen - parallel zum Spielplan. Auch beim Staatsballett werden bei dieser theaterpädagogischen Fortbildung keine tänzerischen Vorkenntnisse vorausgesetzt. Zum besseren Verständnis des Werkes (hier: „Passagen“) gehört eine dramaturgische, kurze musikalische Einführung mit Informationen zur Choreografie, zur Entstehungsgeschichte dieses dreiteiligen Ballettes „Passagen“ mit „Affairs of the Heart“ (David Dawson), „Sweet Bones’ Melody“ (Marco Goecke) und Alexei Ratmanskys „Bilder einer Ausstellung“, komponiert von Modest Mussorgsky. Dass die Choreografie „Bilder einer Ausstellung“ gerade zur jetzigen Zeit Brisanz in sich birgt, war zu Beginn der Proben sicherlich nicht abzusehen. Vielmehr spiegeln sich politische und gesellschaftliche Veränderungen in dem Kunstwerk wider und regen zum Nachdenken an.

Unabdingbar ist daher eine stetige Reflexion zum Verständnis des Werkes. So stand bei dieser Fortbildung neben der Bewegung und der Choreografie auch die geistige Beweglichkeit auf dem Programm, damit auch die Kreativität. Die Tanzpädagogin Simone Endres misst der Kreativität eine besondere Bedeutung bei. Kreativität ist in den Augen der Tanzpädagogin weit mehr als allein künstlerisch-tänzerische Kreativität. Sie wird als allgemeines Bildungsziel gefordert. Deshalb zitiert Endres den Bildungsexperten Ken Robinson über Kreativität und Schule. „Es gibt auf dem Planeten kein Bildungssystem, das Kinder täglich genauso im Tanzen unterrichtet wie in Mathematik“.

Dieses Phänomen der Kreativität haben die beiden Opernhäuser erkannt und bieten neben den beschriebenen Angeboten auch Führungen durch ihr Opernhaus an und legen damit einen weiteren Grundstein für eine unerschöpfliche Inspirationsquelle für (Tanz)Theater, einen Grundstein für Kreativität.

 

 

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