„Dances for an Actress (Jolente de Keersmaker)“ von Jérome Bel. Tanz: Jolente de Keersmaeker

Auch das ist Tanz

a tg STAN & R.B. Jérôme Bel production: „Dances for an actress (Jolente De Keersmaeker)“ bei Impulstanz

In dem Solo beschäftigt sich die Schauspielerin Jolente De Keersmaeker mit unterschiedlichen ikonographischen Choreografien des 20. Jahrhunderts: eine Anregung zum Philosophieren, wo (professioneller) Tanz anfängt.

Wien, 12/07/2022

Was ist Tanz? Diese Frage stellt man sich unweigerlich, wenn man „Dances for an actress (Jolente De Keersmaeker)“ als Österreichische Erstaufführung im Rahmen von ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival Wien sieht. Das bekannte Zitat von Pina Bausch, „Tanz kann fast alles sein“, kommt einem in den Sinn. Unweigerlich denkt man auch daran, dass jede Bewegung eine spannende Bewegung ist.

Auf der leeren Bühne befinden sich nur ein Tisch und ein Stuhl. Die Schauspielerin Jolente De Keersmaeker, Schwester der bekannten Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker, tritt auf und beginnt ein klassisches Ballettexercise im Schnelldurchlauf – die Sessellehne dient hier als barre. Dass die Schauspielerin im Alter von sechs bis 14 Jahren Ballettunterricht hatte und daher weiß, was sie tut, kann man erkennen. Auch wenn es bei weitem nicht professionell wirkt und so mancher schadenfroher Lacher im Publikum zu hören ist, wenn eine Pirouette nicht klappt.

Danach rezitiert Keersmaeker die Informationen, die man in einem gedruckten Programmheft finden würde. Schon vor einigen Jahren hat sich Jérôme Bel entschieden, aus Umweltschutzgründen kein Programmheft mehr zu drucken. Das Bühnenoutfit – ein blaue kurze Turnhose und ein blaues T-Shirt – stammt aus Keersmaekers Kleiderkasten, angeblich wird auch nur 1,1 kWh an Strom für diese Performance verbraucht. Bereits 2019 kam Bel mit seiner Stückidee auf Keersmaeker zu, einen Abend mit wichtigen Choreografien des 20. Jahrhunderts zu gestalten. Bewusst wollte er sein Konzept mit einer Schauspielerin, die es eigentlich gewohnt ist, auf einem Text aufzubauen und so ihre Rolle zu gestalten, umsetzen.

Die erste Choreografie des Abends, mit der sich Keersmaeker beschäftigt, ist von Isadora Duncan aus dem Jahr 1905. Insgesamt ist die kurze „Prélude“ zur Musik von Frédéric Chopin vier Mal zu sehen. Zuerst ohne Musik, danach mit dem gesprochenen Subtext, den Duncan bei ihren Choreografien hatte, dann zur Musik und dem gesprochenen Subtext und als Abschluss nur zur Musik. Spannend, wie unterschiedliche eine Choreografie wirken kann und welche Details man erkennt, je öfter man diese sieht. Gelernt hat Keersmaeker dieses Solo von Jérôme Bel, der sich in einer früheren Arbeit ausführlich mit Isadora Duncan beschäftigt hatte.

Als nächstes folgt eine Improvisation auf Pina Bauschs Solo aus „Café Müller“. Warum Keersmaeker diese nackt tanzt, hat sich dem Autor dieser Zeilen nicht erschlossen. Es folgt mit „Diamonds“ von Rihanna etwas Partystimmung, bevor es mit einem „Tribute an Kazuo Ohno“, Meister des Butoh, wieder ruhiger wird.

Die folgende verbale Beschreibung zweier Youtube-Videos fordert die Phantasie des Publikums heraus. Zuerst sieht Keersmaeker einen Ausschnitt aus „Huddle“ von Simone Forti (1961) und danach einen Ausschnitt aus „Saturday Night Fever“, der Keersmaeker noch einmal zum Tanzen anregt.

Beim Schlussapplaus konnte man unterschiedlichste Reaktionen beobachten: von Standing Ovations bis zum gelangweilten Verweigern zu applaudieren war alles dabei. Begeistert haben sicherlich Keersmaekers Bühnenpräsenz sowie die Ehrfurcht, mit welcher sie und Bel an die ausgewählten Stücke herangegangen sind. Obwohl die Umsetzung des Konzeptes als gelungen bezeichnet werden kann, möchte man doch von einer Wiederholung desselben abraten – auch, wenn man wieder einmal zum Philosophieren angeregt wurde, wo (professioneller) Tanz anfängt.

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern