Fo(e)rderungen
Deutscher Tanzpreis 2023 mit Barcamp in Essen
Phia Ménard mit ihrer Performance „L'après-midi d'un foehn“ bei PACT Zollverein
Von Sonja Majkowski
Eine Arena, schwarzer Tanzboden und wie im Zirkus sitzt das sehr junge Publikum um die runde Bühne herum. Doch eine Besonderheit beschäftigt fast jeden Besuchenden: Da stehen ja Ventilatoren um die Bühne. „Mama, warum stehen denn da Ventilatoren?“ Auch meine sechsjährige Tochter ist schon sehr gespannt. „L'après-midi d'un foehn“ richtet sich expliziert an Kinder ab vier Jahren. Da gilt es das Publikum zu überzeugen und zu begeistern.
Ein Mann in schwarzer Kutte mit einer großen Kapuze sitzt da und zerschneidet eine der zwei pinken Tüten, die vor ihm liegen. Erst zwei Streifen, dann hier ein kleines Dreieck, dann ein Viereck. Der benötigte Tesafilmstreifen, um alles zusammenzukleben, wird natürlich mit den Zähnen abgerissen. Das überzeugt schon mal. Und jetzt? Was passiert jetzt? Ein pinkes Tütenmännchen entsteht. Im Hintergrund hören wir ein tiefes Grollen, ein Beben, Tierrufe. Das pinke Figürchen wird zusammengerollt und von dem Mann in der Kutte in die Bühnenmitte gelegt; er selbst verlässt diese. Leises Surren der Ventilatoren ist zu hören, der Wind wird heftiger. Das Gebilde entfaltet sich und erwacht zum Leben.
Begleitet von Claude Debussys „L'après-midi d'un faune“ beginnt die pinke Gestalt zu tanzen. Erst herrlich kreisend am Boden, bevor es sich elegant in die Lüfte erhebt. Ein gelbes Tütenmännchen betritt die Bühne und die beiden tanzen ein sinnliches Pas de deux. Nicht nur die Kinder sind von dem Zusammenspiel der Musik (Ivan Roussel mit Werken von Claude Debussy), des Lichts (Alice Rüest), des Windspiels (Pierre Blanchet) und der Choreografie (Phia Ménard und Performance Silvano Nogueira) begeistert. Auftritt eines grünen und eines blau-weißen Darstellers aus Plastik. Ausgesprochen sensibel tanzen die Vier zur Musik, schweben hinauf zur Decke, wirbeln umher und faszinieren vor allem dadurch, dass sie nur mit Hilfe des Luftstroms der vielen Ventilatoren bewegen.
Der Mann in der Kutte tritt auf und wie von Zauberhand sammelt er die Vier ein und verlässt die Bühne wieder, während seine kleinen Tänzer*innen auf seinem Arm sitzen. Es folgt das Solo des größeren grün-weißen Tütenmanns. Er schwebt auf die Bühne und wirbelt umher. Mit einem weißen Hut, der an eine Blüte erinnert, schreitet der Kuttenmann über die Bühne. Sein Hut entlässt viele weiße Tüten auf die Tanzfläche, so dass ein bezaubernder Gruppentanz entsteht. Mal tanzen sie über den gesamten Bühnenraum – der in diesem besonderen Fall nicht nur den Boden, sondern auch den Luftraum ca. drei Meter darüber beinhaltet –, mal bewegen sie sich eng gedrängt in der Bühnenmitte auf dem Boden. Mit Hilfe eines Regenschirms sammelt der schwarze Mann die weißen Tüten ein, die sich wie von Zauberhand in das Innere seines Schirms einfinden.
Kurz darauf bringt er etwas zusammengefaltetes, eckiges Goldenes auf die Bühne. Diskussionen im Publikum kommen auf. Was mag das wohl sein? Was passiert jetzt? „Oh! Eine Schlange“, ruft ein Junge aus dem Publikum. Es wird auch weiterhin mitgefiebert. Das pinke Tütenmännchen tritt wieder auf. Ein dramatischer Kampf ist zu sehen, stimmungsvoll von der Musik untermalt. Die Schlange ist besiegt und unser kleiner pinker Tänzer geht zu seinem Kuttenmann. Doch wie aus dem Nichts tauchen viele schwarze Tüten auf. Der Mann versucht sie zu vertreiben, um sein Geschöpf, welches er selbst erschuf, zu beschützten. Die Musik endet, das Licht geht aus.
Phia Ménard und ihrem Team gelingt eine bezaubernde Performance, die nicht nur durch ihre Geschichte ins Land der Phantasie einlädt, sondern auch rein physikalisch begeistert. Nur durch die exakte Steuerung der Windmaschinen tanzen die kleinen Gestalten über die Bühne. Und so endete ein wirklich verzaubernder Nachmittag – auch wenn es keine Mädchen-Männchen mit Röcken gab, wie meine Tochter später kommentierte. Aber vielleicht tauchen sie ja jetzt in ihren Träumen auf.
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