Das, was bleibt

Serge Aimé Coulibaly gastiert mit „Kirina“ in der Hamburger Kampnagelfabrik

Der Tänzer und Choreograf aus Burkina Faso zeigt keine Heldensaga, sondern thematisiert die globalen Migrationsströme – ein zeitloses Thema.

Hamburg, 20/02/2019

Zum dritten Mal schon ist der Tänzer und Choreograf Serge Aimé Coulibaly mit dem „Faso Danse Théâtre“ aus Burkina Faso nach Hamburg gekommen, dieses Mal im Rahmen des Festivals „Lux aeterna“, und wieder konnte er das Publikum begeistern. „Kirina“ heißt das Stück, mit dem Coulibaly an eine Schlacht erinnert, die vor knapp 900 Jahren in der gleichnamigen Ebene im westafrikanischen Mali stattfand. Der Sieg des ‚Löwen-Königs‘ Sundjata Keita begründete damals den Aufstieg des Mali-Reiches, das von da an mehrere Jahrhunderte lang Westafrika beherrschte.

Coulibaly ist hier aber nicht der Versuchung erlegen, einfach nur eine historische Heldensaga zu erzählen, vielmehr konzentriert er sich auf das Zeitlose dieser archaischen Geschichte. Denn Krieg und Frieden, Freiheit und Unterdrückung, Sieg und Niederlage, Hass und Liebe, Flucht und Vertreibung sind Themen, die sich immer wieder aufs Neue mit Inhalt füllen lassen – und heute aktueller sind denn je. Auch deshalb ist „Kirina“ ein zeitlos gültiges Werk. Es wirft Fragen auf, ohne Antworten vorzugeben. Es verstört und versöhnt zugleich. Denn das, was damals in Mali geschah, passiert auch heute noch in aller Welt. Es geht um bleibende Werte, die das Menschsein begründen – die Höhen und Tiefen, die Gipfel und Abgründe.

Das spiegelt sich auch in der grandiosen Live-Musik von Rokia Traoré mit Balafon, Perkussion, Bass, Gitarre und den beiden wunderbaren Sängerinnen Naba Aminata Traoré und Marie Virginie Dembélé, die mit ihren Rhythmen den fulminanten Tanz begleiten und bestimmen, ergänzt durch die Rezitation eines Sprechers (der Inhalt wird durch deutsche Übertitel verständlich).

Coulibaly findet – wie schon in „Schlaflose Nacht in Ougadougou“ (siehe tanznetz vom 12.12.2017) – wiederum eine eindringliche Bewegungssprache für seine vier Tänzerinnen und fünf Tänzer: sie taumeln und stürzen, stolpern und springen, rennen, schreiten und verdrehen sich. Und vor allem die Männer zeigen halsbrecherische Breakdance-ähnliche Einlagen, die an Stammestänze erinnern, aber eben nur erinnern, sie nicht kopieren. Das hat nichts Volkstümelndes, das ist ganz und gar eigen, neu, berührend. Gerade im Tanz wird sowohl das Kriegerische der Kirina-Sage als auch das Zarte, Intime der zwischenmenschlichen Begegnungen deutlich. Das schlichte Bühnenbild von Catherine Cosme unterstreicht das noch: Fünf Türme aus Kleiderballen, deren Shirts, Hosen und Röcke unter anderem dazu dienen, eine Steinigung zu symbolisieren.

Genial auch die Idee, Statisten aus der jeweiligen Stadt, in der das Stück aufgeführt wird (in Hamburg sind es zwanzig an der Zahl), mit einzubeziehen. Sie laufen zu Beginn im Hintergrund von rechts nach links und umgekehrt. Sie sind das Volk, das sich gemeinsam mit den TänzerInnen ins Kriegsgetümmel stürzt, und sie sind Gaffer und aufgehetzter Pöbel bei der Steinigung. Am Schluss bleibt der ‚Löwen-König‘ übrig, gezeichnet vom Kampf schreitet er über das Schlachtfeld ins Dunkel. Coulibaly zeigt damit auch die Ambivalenz einer solchen Auseinandersetzung, die Niederlage im Sieg. Großartig!
 

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