Plädoyer gegen Rassismus im Tanz
Neu erschienen: die Biografie des kubanischen Tänzers Osiel Gouneo
Was Münchens neuer Staatsballettchef Igor Zelensky in dieser seiner ersten Spielzeit bringen wird, konnte man schon Ende 2015/16 in der umfassenden Staatsopern-Jahresvorschau erfahren. Letzte Woche wurden auf der Staatsballett-Website auch Fotos und Kurzbios seines neu formierten Ensembles veröffentlicht. Und jetzt endlich ‚Zelensky live’ bei seiner ersten Pressekonferenz im Probenhaus am Platzl im Rosen-Saal – der mit Trainingsgeräten zum Fitnessstudio umgestaltet ist. Bravo! Jetzt müssen die Tänzer nicht mehr privat teure Physiostudios aufsuchen.
Dass Publikum und Presse sich nach der 18-jährigen Amtszeit von Vorgänger Ivan Liška auf den neuen ja noch unbekannten Ballettchef einstellen müssen und vice versa, ist normal – braucht sicher ein wenig Zeit. Außerdem war der Tscheche Liška, der sich zu Beginn im Deutschen nicht so sicher fühlte, stets (gerade auch verbal) hilfreich flankiert von seinen Dramaturgen Bettina Wagner-Bergelt und Wolfgang Oberender. Zelensky, ein anderer Charakter – in seiner Probenakribie, seiner Fixierung auf die Ensemblequalität der Staatsballettgründerin Konstanze Vernon nicht unähnlich –, wirft sich allein in die Arena. Anzunehmen, dass er so auch Geld sparen will für zum Beispiel berühmte Gasttrainer, Coachs, Choreografen. Eines jedoch wird durch seine trockene Offenheit jetzt schon klar: Wenn er Namen von neuen Tänzern und Auftrittsdaten noch nicht herausgeben wollte, hat das nicht, wie in manchen Blättern behauptet, mit Geheimniskrämerei zu tun. Igor Zelensky, und davon kann er überzeugen, will generell erst Sicherheit haben, dass Verträge unterschrieben sind, dass Tänzer zu den Münchner Auftrittsdaten auch tatsächlich da sein würden. Zwei von ihm anvisierte Solisten, nur zum Beispiel, hatten abgesagt. „Jetzt muss ich das ausbalancieren mit Demi-Solisten, die das Niveau haben“, sagt er. „Aber es kann auch ein Tänzer plötzlich krank werden, und man muss wieder umdisponieren“. Insgesamt hört man bei ihm heraus, dass er gefasst mit Unwägbarkeiten rechnet, den Ansturm einer komplexen Chefsituation meistern will.
Wenn er sich auch das Staatsballett die letzten zwei Jahre angeschaut hat – die von ihm engagierten Tänzer sind neu für ihn wie auch für die schon alteingesessenen 28 Staatsballettler. Und da ist es der Ehrgeiz Zelenskys, der an mindestens 14 verschiedenen Theatern und mit wahrscheinlich noch mehr Ballerinen getanzt hat, genau abzuwägen, wer was mit wem tanzt. Für den Saisonstart mit Petipas „Giselle“ in Peter Wrights Fassung (1966 für Stuttgart, 1974 für München) steht nun fest: am 23.9. tanzen Natalia Osipova vom Londoner Royal Ballet – wir haben sie hier schon als Noch-Bolschoi-Ballerina gesehen – und ihr Lebenspartner Sergei Polunin, der als Royal-Ballet-Jungstar aus Stressgründen zu Zelenskys zweiter Wirkstätte, dem Moskauer Stanislawsky-Ballet wechselte. Beide sind als ständige Gäste versprochen.
Am 25. 9., 15 Uhr: das Ehepaar Maria Shirinkina und Vladimir Shklyarov, zwei vom St. Petersburger Mariinsky-Ballett nach München gewechselte Erste Solisten; am selben Tag um 19 Uhr 30: die erst 22-jährige vielversprechende Ksenia Ryzhkova, bis jetzt am Stanislawsky-Ballett, mit dem jungen Kubaner Osiel Gouneo. Sein schon länger berühmter Landsmann Carlos Acosta vom Royal Ballet sieht in ihm den „schwarzen Prinzen“ schlechthin. Gouneos Technik ist auf jeden Fall schwindelerregende erste Klasse; am 29. 9., 19 Uhr 30 die Bolschoi-Prima und Weltstar Svetlana Zakharova mit Shklyarov. Am Ende der Pressekonferenz stellen sich kurz Ivy Amista (noch Vernon-Schülerin), Ksenia Ryzhkova, die Wienerin Prisca Zeisel, Shklyarov und Gouneo vor. Sympathische junge schöne Menschen, mit viel Können. Man kann gespannt sein, wie Zelensky sie führt. Und man hofft, dass Intendant Nikolaus Bachler und ein paar noch für Ballett zu begeisternde Sponsoren Zelenskys Mantra „mehr Vorstellungen, mehr Tänzer“ bald erhören. Juri Grigorowitschs „Spartacus“ (1968) steht dann am 22. Dezember als Deutschlandpremiere an. Ein historischer Schinken? Immerhin kann Zelensky anzeigen: „Jetzt wird es auch in Finnland einstudiert und in Sidi Larbi Cherkaouis Flandern Ballett.“
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