„Yondering“ von John Neumeier

„Yondering“ von John Neumeier

Ein Blick in das noch Unbekannte

„Erste Schritte“ der Ballettschule des Hamburg Ballett

Zur diesjährigen Gala lud John Neumeiner Gäste aus fünf Ballettschulen ein. Am Ende tanzten alle gemeinsam und wurden für ihre Leistungen mit Standing Ovations belohnt.

Hamburg, 08/07/2016

Es war schon ein besonderes Datum, an dem diese „Ersten Schritte“ auf die Bühne kamen, die traditionell alle zwei Jahre stattfindende Vorstellung, bei der die Ballettschule des Hamburg Ballett zeigt, was sie kann – von den Vorschulklassen bis hinauf zu den Theaterklassen. Denn dieser 4. Juli war nicht nur „Independence Day“ und somit ein wichtiger Feiertag für die AmerikanerInnen unter den SchülerInnen und den aus Milwaukee stammenden Ballettintendanten John Neumeier, sondern auch der 190. Geburtstag von Stephen C. Foster. Auf dessen Musik choreografierte John Neumeier vor exakt 20 Jahren „Yondering“ – ein Stück, das die Ballettschule immer wieder im Programm hat. Fosters Musik enthält viele volkstanzähnliche Country & Western-Elemente und steht für die Zeit der Einwanderer und der Planwagenzüge gen Westen. Sieben Foster-Lieder band Neumeier zu einem romantisch-schwärmerisch-frechen Tanzbouquet zusammen, wobei „Yondering“ für den Blick auf etwas Unbekanntes, Fernes steht, auf das Neue, noch Unerschlossene – wie auch die SchülerInnen zum Abschluss ihrer Ausbildung in eine ungewisse, aber aufregende Zukunft schauen.

Und da der Anlässe mit so viel runden Geburtstagen genug waren, hatte John Neumeier fünf Ballettschulen aus aller Welt eingeladen, die sein „Yondering“ ebenfalls im Programm haben: Canada’s National Ballett School, San Francisco Ballet School, Houston Ballet Academy, L’École de Danse de l’Opéra National de Paris und De Nationale Balletacademie Amsterdam.

Den Beginn des Abends bestritt aber erst einmal die Ballettschule des Hamburg Ballett. Mit einer Kurzfassung von „Wir danken!“ (in der Choreografie von Kevin Haigen zu Musik von Georges Bizet) stellten alle, von den Kleinsten bis hinauf in die Theaterklassen, ihr hohes Niveau unter Beweis. Die Langfassung war schon am 14. Juni zu sehen und gelang damals ebenso gut wie jetzt in der wegen ihres hohen Tempos nicht weniger anspruchsvollen Kurzversion. Es folgte eine „Reise durch die Jahreszeiten“, ebenfalls ein bereits bekanntes Werk von John Neumeier für die gesamte Schule. Auch das wurde mit Bravour gemeistert. Hervorzuheben seien hier vor allem Ricardo Urbina Reyes als Sportler und die elegante Ziyue Liu als Zirkusprinzessin, beides auffällige Talente aus der Theaterklasse VIII.

Für den mittleren Teil des Abends hatten die GastschülerInnen eigene Stücke mitgebracht (von denen uns leider keine Fotos überlassen wurden): Die Holländer boten mit „5“ in der Choreografie von David Dawson zu Musik von Adolphe Adam ein höchst anspruchsvolles Schmankerl, in dem die schwierigen klassischen Passagen immer wieder auf amüsante und überraschende Weise gebrochen wurden. Natasha Sheehon und Joseph Warton aus San Francisco feierten den Barockkomponisten Händel mit einem fein ausgearbeiteten Pas de deux in der Choreografie von Helgi Thomasson. Bianca Scudamore und Milo Avêque zelebrierten das „Air“ von Bach in der Choreografie von John Neumeier – mit dem langsamen Tempo und den schwierigen Bewegungskombinationen eine besondere Herausforderung. Besonders umjubelt wurde „Molto Espressivo“ in der wunderbar fließenden Choreografie von Ilya Kozadayev, das zwei Paare der Houston Ballet Academy ebenso anmutig wie selbstbewusst darboten. Ebenso gefeiert: „Chalkboard Memories“ von Demis Volpi zu jazziger Bluesmusik von Nina Simone, George Gershwin und Walter Donaldson, mit Verve und Aplomb auf die Bühne gepfeffert von den Kanadiern.

Es sind Stücke wie diese, die auch dem Bundesjugendballett gut zu Gesicht stehen würden. Erst vor Kurzem hatte es mit „Im Aufschwung VII“ für fünf Vorstellungen im Ernst-Deutsch-Theater in Hamburg gastiert – ein leider eher missglückter Abend, denn die „Bach-Suite 3“ von John Neumeier erschien für die jungen TänzerInnen schlicht eine Nummer zu groß, auch wenn sie sich alle Mühe gaben, den hohen Anforderungen gerecht zu werden. In diesem Alter müssen sie die technische Perfektion und innere Reife, die dieses Stück erfordert, allerdings noch nicht aufbringen können, weshalb ihnen eine ihrer Jugend besser gerecht werdende Auswahl zu wünschen gewesen wäre. Auch „Ein kleiner Prinz“ geriet in einem nicht gerade geglückten Bühnenbild eher zu einer beliebigen Collage, die in dieser Kombination keine Stringenz aufwies. Da half es auch nichts, dass der ‚kleine Prinz’ ein sonniger Jugendlicher mit Downsyndrom war – was ja per se eine sehr charmante Idee ist, aber in dieser Kombination mit abstrakten Choreografien eher seltsam hilflos und kindlich anmutete. Schade.

Beim die „Ersten Schritte“ abschließenden „Yondering“ standen dann sowohl die Hamburger als auch die anderen Ballettschulen gemeinsam auf der Bühne – eine Meisterleistung nicht nur der SchülerInnen, sondern vor allem auch der BallettpädagogInnen, die hier eine erstklassige Arbeit abgeliefert haben. Mit seinem Witz und gleichermaßen seiner Melancholie erfordert „Yondering“ ein hohes Maß an Timing und Präzision. Zu Beginn gab es aber erst noch eine Überraschung, denn in den ersten Minuten des Stücks traten vier Tänzer auf, die zu den Ersten gehörten, die das Stück getanzt haben: Alexandre Riabko (Erster Solist beim Hamburg Ballett) und Yohan Stegli (Ballettmeister beim Bundesjugendballett) für die Ballettschule des Hamburg Ballett, Peter Dingle (Solist beim Hamburg Ballett bis 2010) und Jason Reilly (Stuttgarter Ballett) für die des Canada National Ballet. Nach einigen Minuten übergaben sie den Stab an die Youngsters von heute – eine schöne Geste.

Großer Beifall und Standing Ovations für alle Beteiligten.
 

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