Handlungsballette in Mini-Ausgabe

Die Reihe „Junge Choreografen“ am Ballett Zürich

Dreizehn Tänzerinnen und Tänzer des Ballett Zürich sind in die Choreografenrolle geschlüpft. Entstanden ist eine farbige Palette an Stücken, die von Amélies fabelhafter Welt bis zu dunklen Erinnerungen an den Holocaust reichen.

Zürich, 30/05/2014

Die Reihe „Junge Choreografen“ widmet sich ganz dem choreografischen Nachwuchs des Junior Ballett, der verspielt antwortet und mitnimmt in Märchen-, Seelen- und Identitätswelten. Tänzerinnen und Tänzer des Ensembles erhalten hier die Chance, ihr eigenes Stück zu entwickeln und sich als Choreografen vorzustellen.

Im Kleinformat erzählen sie Kurzgeschichten wie diejenige von Amélie, die in ihrer fabelhaften Welt lebt und dort auf Gentlemen, Greise und Gigolos trifft ("Die fabelhafte Welt" von Daria Chudjakowa). Oder die Geschichte der Ballerina, die im Studio ihre Figuren immer und immer wieder tanzt – eine unendliche Suche nach Perfektion ("Chasing Nothing" von Donna-Mae Burrows). Doch wonach sucht sie, wenn Perfektion nur eine Idee ist? Da sind diese zwei Gentlemen, die sich an ihre Begegnung mit einem namenlosen Hafenmädchen erinnern. Sie finden lediglich einen Schatten: den "Ombre de la rue" aus dem Chanson von Edith Piaf ("Milord(s)" von Andrei Cozlac). 

In ihren Arbeiten wagen sich die jungen Choreografinnen und Choreografen auch an Geschichten von Persönlichkeiten der Kulturgeschichte heran. Sie spüren Persönlichkeiten wie der Malerin Frida Kahlo oder Pianistin Alice Herz-Sommer nach. Alice Herz-Sommer verstarb im Sommer mit 110 Jahren als älteste bekannte Überlebende des Holocausts. Auf der Bühne ertönt ihre Stimme: "Music is a dream.“ Berührend, ihre Stimme mit dem Akzent zu hören: "With music, I was always happy. Music is God.“ Aus der Musik schöpfte Herz-Sommer ihre Überlebenskraft. Ebenso die Tänzerinnen und Tänzer. Sie tanzen miteinander, aneinander, voneinander. Sie torkeln, fallen zu Boden, ergeben sich, schöpfen neue Kraft, um wieder aufzustehen. Auf der nebelverhangenen Bühne wirken die Tänzerinnen und Tänzer zart und zerbrechlich („Romance for Alice Herz-Sommer“ von Roberta Martins Portugal).

Unter dem Pseudonym B. Traven erlangte er Weltruhm – und wurde endgültig zum „Mystery Man“. Bedrückende Welten, grelles Scheinwerferlicht und spielfilmartige Dramaturgie, begleitet von elektronischen Musikklängen des alva noto. Das Stück „Identities“ des Schweizer Tänzers Benoît Favre gehört zu den Höhepunkten dieses zwölfteiligen Ballettabends. Auf den Spuren des mysteriösen Schriftstellers lässt der Jungchoreograf die Tänzerkörper wie von einer fremden Macht gesteuert bewegen. Roboterartig und doch in Trance. Die Bewegungen scheinen aus den Körpern ausbrechen zu wollen.

Tanz in verschiedenen Körper- und Raumachsen zeigt Filipe Portugal zur minimalistischen Musik „Different Trains“ von Steve Reich. So minimalistisch die Musik, so maximal die Bewegungen. Wie in Schienen bewegen sich die sieben Tänzer in alle Himmelsrichtungen. Das Zug-Sujet der Musik, nimmt Portugal auch in seiner Bewegungssprache auf. Die Wege der Tänzer kreuzen sich und gehen wieder auseinander. Manch einer lässt sich von der einzigen Tänzerin auf der Bühne ablenken und legt für ein Pas de deux einen Zwischenhalt ein. Portugal setzt seine Ideen in einer klaren, dynamischen Tanzsprache um.  

Junge Choreografen brauchen eine Bühne, Tänzer, Kostüme, Licht und nicht zuletzt ein Publikum, um in ihrer Rolle zu wachsen. Dieser Rollentausch hat auch dem Publikum gut getan. Die 13 jungen Choreografinnen und Choreografen geben einen Einblick in ihre eigene Tanzwelt. Ehrlich – und schön.  
 

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