Die GöteborgOperans Danskompani auf Kampnagel Hamburg
Die GöteborgOperans Danskompani auf Kampnagel Hamburg

Bildmächtige Kompositionen

Die Göteborgsoperans Danskompani mit „SPIRIT“ auf Kampnagel

Sie ist eine der größten und wichtigsten zeitgenössischen Tanzkompanien im nördlichen Europa. Zwei wuchtige Kreationen hatte sie im Gepäck: „Noetic“ von Sidi Larbi Cherkaoui und „Metamorphosis“ von Saburo Teshigawara.

Hamburg, 20/12/2014

Sie ist eine der größten und wichtigsten zeitgenössischen Tanzkompanien im nördlichen Europa: die Göteborgsoperans Danskompani. Jetzt gastierten die 39 Tänzerinnen und Tänzer aus 17 Ländern in der Hamburger Kampnagelfabrik. Zwei wuchtige Kreationen hatten sie im Gepäck: „Noetic“ von Sidi Larbi Cherkaoui und „Metamorphosis“ von Saburo Teshigawara. Es sind zwei Stücke, die sich beide mit elementaren Lebensfragen auseinandersetzen: Wer bin ich? Wer bist du? Wer sind wir? Was verbindet uns

In „Noetic“ findet Cherkaoui darauf vielschichtige und sehr verschiedene Antworten, bei denen sich strenge Ordnung abwechselt mit anscheinend chaotischem Durcheinander, das sich dann aber doch in eine Struktur sortiert, von unsichtbarer Hand weise angeleitet. Kantiges Schwarz-Weiß dominiert die Optik, sowohl bei den Kostümen (schwarze Hose und Weste mit weißen Hemden bei den Herren, schlichte anthrazitfarbene Kleider mit kurzen Tellerröcken bei den Damen) wie auf der Bühne (ein großer weißer Guckkasten). Umso kontrastierender wirkt die Bewegungssprache Cherkaouis, der die Körper ständig aus der Achse dreht, zwirbelt, schraubt, kreiselt. Das ist ein stetes Eindrehen und Ausdrehen, ein Auf- und Abschwellen, begleitet von der Live-Percussion einer japanischen Perkussionistin (beeindruckend: Tsubasa Hori) oder von elektronischer Musik vom Band bzw. vom glockenreinen Mezzosopran Miriam Anderséns. Es ist ein einziges Ineinanderweben und Lösen, Begegnen und Trennen, Miteinandersein und Fürsichsein. Cherkaoui geht es bei „Noetic“ um das, was die Griechen mit „noesis“ meinen: um die innere Weisheit, die alle Wesen auf natürliche und unbewusste Art und Weise verbindet, „eine abstrakte Sprache, die wir alle beherrschen, indem wir über Bewegung kommunizieren, ohne je die grammatischen Regeln dafür gelernt zu haben.“ (Programmzettel)

Stellenweise zitieren die Tänzer Texte aus einem Online-Video-Vortrag unter dem Motto „Verstehen bedeutet, Muster zu erkennen“, in dem es darum geht, dass alles, was der Mensch erfindet, in der Natur schon längst erfunden worden ist. Jede Erfindung stellt deshalb nur ein Spiegelbild der Natur dar, und je effizienter ein künstliches, technologisches System wird, desto mehr ähnelt es der Natur. Und absolute Geradlinigkeit ist mit dem Lebendigsein ebenso wenig vereinbar wie ein starrer Takt. Und so nehmen die Tänzer die bis dahin am vorderen Bühnenrand liegenden breiten Kohlefaser-Riemen und biegen sie zu Bögen und Kreisen, zu Kathedralen und Kuppeln und schließlich zu einer kosmischen Kugel, in der einer zurückbleibt: der Mensch.

Noch stärker reduziert dann „Metamorphosis“ von Saburo Teshigawara. Ein bis auf einen hautfarbenen Slip nackter Mann und insektenlarvenähnliche, in Seile geschnürte Wesen winden sich auf einem wie Fliesen in große Quadrate eingeteilten Kühle verbreitenden Tanzboden in einer komplett schwarz abgehängten Szenerie. Auch hier geht es um die Beziehung zur Natur, alles ist ständig in Bewegung, ständig im Wandel, nichts ist für die Ewigkeit.

Teshigawara kreiert hier atemberaubende Bildwechsel zu einer faszinierenden Lichtregie, minutenlang erscheinende Pausen und zeitlupenartig langsame Bewegungssequenzen wechseln sich ab mit schlagartig eingenommenen Haltungen, es ist ein einziges tiefes Ein- und Ausatmen und den-Atem-Anhalten. Spiralige Metallstrukturen – auch hier wieder die Anspielung auf die Natur, in der die Spirale die Grundstruktur des Lebens darstellt – treten in einen Dialog mit dem Tanz, mit der Bewegung, mit der Musik (elektronische Geräusche und sakrale Chöre von Olivier Messiaen und Maurice Ravel), bis sich alles in einem aberwitzig schnellen Kreiseln und Taumeln unter ständigen Richtungswechseln auflöst.

Ein Abend, der noch lange nachklingt.
 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern