Aktuell und brisant

„Unter Kontrolle“: Das 5. Festival Tanz! Heilbronn zeigt Anfang Mai zeitgenössischen Tanz „Vom Tanzprojekt mit Gefangenen bis zum Tanzverbot im Iran“.

Kuratiert von der in Berlin lebenden Dramaturgin Karin Kirchhoff spielt das 5. Festival Tanz! Heilbronn das Thema „Unter Kontrolle“ den Tanzschaffenden zu. Gastspiele, Workshops, Gesprächsrunden und eine Koproduktion laden vom 8.-12. Mai ein, sich eingehend mit aktuellen Aspekten des Themas auseinanderzusetzen.

Heilbronn, 07/02/2013

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“, wer wüsste das nicht besser, als Politiker, die von der Krise überrollt, von der Finanzwirtschaft vorgeführt, sich schließlich zu Sätzen durchringen wie: „Wir wissen, dass die übertriebene Deregulierung kein Vorteil war“ so Finanzminister Wolfgang Schäuble im Nachgang zur Bankenkrise. Aber kaum lässt die Regierung verlauten, man plane Regeln für Banken, hagelt es Kritik. Wie heikel, zweischneidig und ideologisch besetzt das Thema „Kontrolle“ ist, lässt sich an Sprachregelungen ablesen, die statt „außer Kontrolle“ lieber „übertriebener Deregulierung“ sagen. Das Spektrum zwischen (totaler) Überwachung und (absoluter) Freiheit ist groß, die Fragen nach Privatsphäre, Gestaltungs- und Handlungsspielräume brisant.

Kuratiert von der in Berlin lebenden Dramaturgin Karin Kirchhoff spielt das 5. Festival „Tanz! Heilbronn“ das Thema „Unter Kontrolle“ den Tanzschaffenden zu. Gastspiele, Workshops, Gesprächsrunden und eine Koproduktion laden vom 8.-12. Mai ein, sich eingehend mit aktuellen Aspekten des Themas auseinanderzusetzen. Das Theater Heilbronn stellt dazu nicht nur seine drei Spielstätten zur Verfügung, es geht in die Justizvollzugsanstalt (JVA) Heilbronn, um mit den Gefangenen die Bedingungen eines Lebens hinter Gittern als Folge des Außer-Kontrolle-Geratens zu untersuchen. Angeleitet von Nadja Raszewski entwickeln die Insassen unter dem Arbeitstitel „Gated Community“ eine Performance, die am 9. und 11. Mai in der JVA zu sehen sein wird.

Gefangen in der Mühsal des Immergleichen war Sisyphos. Kaum hat er den Stein auf den Berg gewuchtet, rollte dieser talwärts und alles beginnt von vorn. Für Albert Camus macht der Kampf gegen Gipfel (und Schwerkraft) Sinn, weshalb er postuliert: „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen“. Angelehnt an Camus beackert die Companie Toula Limnaios mit ihrem Stück „every single day“ den Mythos auf einer mit Torf gefüllten Bühne. Das Gegenstück, eine von Maschinen beherrschte Erwachsenenwelt präsentiert Boris Charmatz (Choreograf des Jahres 2012) in der französischen Produktion „Enfant“, um mit neun Tänzern und einer Gruppe von Kindern das Verhältnis von Macht und Ohnmacht, Manipulation und Freiheit zu reflektieren.

Politisch das brisanteste Projekt stammt von der iranischen Choreografin Modjgan Hashemian, die zusammen mit der Dramaturgin Susanne Vincent in „Don’t move“ das Tanzverbot (in öffentlichen Räumen) der Mullahs thematisiert. Per Videoaufnahme und Skype entwickelt sich ein Dialog zwischen Tänzern in Berlin und Teheran. Wo der Iran auf der Agenda steht, darf Israel nicht fehlen: das kleine Land mit großartiger Tanzlobby präsentiert sich nicht nur mit zwei Produktionen („Big Mouth“, „Ship of Fools“), der Film „Let’s dance! Israel und der moderne Tanz“ gibt einen Überblick über die Tanzgeschichte des Landes. Spannend dürfte das iranisch-israelische Gespräch „Körper-Politik. Tanz bezieht Stellung“ am letzten Festivaltag im Komödienhaus werden.

Dubios hingegen erscheint der Beitrag aus Baden-Württemberg: Das Duo Hiroko Tanahashi und Max Schumacher, das sich in New York kennengelernt und mit Zwischenstopps in Stuttgart, Büro in Tokyo schließlich in Berlin niedergelassen hat, penetriert mit „Express Fight Club“ (seit 2007) weltweit sein Publikum durch Fragen wie: Ist mein Beruf wirklich meine Berufung? Wie autoritär ist der Arbeitsalltag? Haben wir überhaupt Arbeit und was definiert uns, wenn wir keine Arbeit haben? Wovon träumen wir? Diese sogenannte „Multi-Media Performance über eine subversive Vereinigung“ wie es im Untertitel heißt, für 30 anonyme Teilnehmer und limitierte Zuschauerzahl, „besticht“ laut Berliner Zeitung, „durch formale Strenge“ und Theater pur (Münster) meint dazu: „Ein heiteres Happening mit ‚1984‘-Elementen“ – Hallo, winkt da wohl George Orwell mit dem Zaunpfahl?

Info: 5. Festival „Tanz! Heilbronn“ vom 8. bis 12. Mai im Theater Heilbronn

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