Tanzwerkstatt Europa 2012 zeigt interessante Arbeiten

Blog über die Performances der Tanzwerkstatt Europa in München

München, 03/08/2012

Jeden Sommer mischt für 11 Tage die Tanzwerkstatt Europa mit Tanzworkshops und Vorstellungen die lokale wie internationale zeitgenössische Tanzszene auf. Studenten der Iwanson Schule für zeitgenössischen Tanz und des Instituts für Theaterwissenschaft der LMU München begleiten in einem Festivalblog das interessante Performance-Programm.


Donnerstag, 2. August 2012, Eröffnung der TWE mit der Candoco Dance Company (GB)
Gespannt warte ich unter den zahlreich gekommenen Zuschauern auf den Auftritt der Tänzer. Das Bühnenbild springt mir gleich ins Auge und weckt meine Neugierde: In einer Art Halbkreis angeordnete E- Gitarren mit je einer Schallplatte in der unteren linken Ecke. Geniale Idee, denke ich.

Los geht’s: Eine dunkel gekleidete Tänzerin performt als erste ihr langsames Solo. Mir wollen dazu irgendwie keine Assoziationen kommen. Dann: mehrere Tänzer: Eine Szene in Slowmotion, außerdem zu sehen sind Nahaufnahmen einer ebenfalls auf der Bühne platzierten Kamera. Gute Idee, denke ich erneut. Die Szene zieht sich etwas, aber man beobachtet konzentriert, bis sie sich plötzlich in Echtzeitbewegungen auflöst. Nach diesem Anfang bin ich gespannt, was folgt: Ein klassisches Step- Solo. Step!? Hätte ich in so einem Stück gar nicht erwartet. Aber dann, ein „etwas anderes“ Solo eines mit dem Rücken zur Audienz gekehrten Tänzers, der sein Gesicht verdeckt. Warum? Er beginnt seine Schulterblätter in unnatürlich aus dem Rücken herausstehenden Weise ‘tanzen’ zu lassen. Tanzende Schulterblätter. Das Publikum starrt gebannt und erschrocken auf das ungewöhnliche Bild.

Ich höre ein paar Laute, die Staunen, vereinzelt auch Entsetzen und Ekel vermuten lassen. Mir geht es ähnlich, ich bin einerseits fasziniert, andererseits etwas verstört; unschlüssig, ob ich das Bild schön oder eher erschreckend finde. Das Image, das sich mir mehr und mehr aufdrängt, ist das eines Drachen, mit aus dem Rücken stechenden Flügeln. Der „Drachentänzer“ steht auf, zieht sich seinen schwarzen Kapuzenpulli aus dem Gesicht, nimmt sich eine Gitarre und fängt an zu spielen; die nächste Tänzerin hat ihr Solo; sehr kraftvoll- aggressiv, bis die anderen Tänzer auf der Bühne in ihre ‘ausflippend’ wirkenden Bewegungen einsteigen. Stopp; nächstes Solo. Der Ablauf wirkt vorhersehbar. Solo after Solo.

Zusammenhängend? Eine Geschichte erzählend? Es wirkt eher gegenteilig. Jeder Solist stellt sich vor − wie es scheint, aber es ist keinerlei Linie zu erkennen. Ich habe aneinandergefügte Backsteine im Sinn.

Pause. Austausch im Publikum; die Reaktionen liegen zwischen fasziniert und verwirrt: „düster, heavy; Was sollte... wohl bedeuten?“. Auch ich muss die Aufführung erstmal sacken lassen.

Zweite Hälfte: Plötzlich die gesamte Kompanie; es wird wild getanzt, ohne Pausen, powervoll, fließend. Ich verfolge hohe Beine, wirbelnde Drehungen und Arme, kraftvolle Sprünge; Bewegung pur, strahlende Gesichter der eingespielt und harmonierend aufeinander abgestimmten Tänzer. Ein typisches modernes Stück, wie es die weniger experimentell zu begeisternde Masse mag. Die Musik, der Tanz, sie wirken zusammen. Die Tanzschleife scheint sich weiter und weiter zu winden, never ending. Doch irgendwann mündet es in ein fast abruptes Ende. Das war´s also. Ging schnell. Zusammenhang erster und zweiter Hälfte? Nein.

Reger Austausch draußen: Vergleich des ersten und zweiten Teils, Austausch von Hintergrundwissen und Vergleiche der ursprünglichen Trisha Brown- Version und der gerade gesehenen, die weniger geordnet und teilweise etwas chaotisch im Vergleich wirken soll. Aber es herrscht Einstimmigkeit und allgemeine Begeisterung über die Tanztechnik der ,,behinderten“ Tänzer, denen man (zumindest im zweiten Teil, hätte man es nicht aus dem ersten gewusst) ihre Bewegungseinschränkungen nicht angemerkt hätte, so technisch klar haben sie getanzt.

Mir bleiben viele Impressionen, die ich erst noch verarbeiten muss. Gesehen habe ich zwei unabhängige moderne Tanzstücke, oberflächlich gesagt; ein typisch „aktuelles“ und ein „klassisches“.

von Lara Kuhlmann, 05.08.2012


Freitag, 3. August 2012 Olga de Soto (ES/BE) – „An Introduction Lecture“
Olga de Soto erwartete uns schon auf der Bühne, während das Publikum und ich den Saal betraten und Platz nahmen. Es gab eine Leinwand, einen kleinen Tisch mit Stuhl, Namen, die im Hintergrund auf die Wand projiziert wurden, und die charmante Vorträgerin, die im roten Kleid wunderbar im Kontrast zum Rest stand. Olga spricht Französisch und gibt denen, die die Sprache verstehen den Vorteil des „nur Zuhörens“. Für alle anderen gab es die Übersetzung auf der Leinwand. Ich hätte mir gewünscht, dass Olga langsamer erzählt hätte, oder zumindest dem Publikum mehr Zeit zum Lesen gegeben hätte. Es ging also sehr schnell voran und leider verpasste man auch das eine oder andere, als die Tänzerin immer wieder Fotos durch das Publikum zirkulieren ließ.

Die Fotos waren durchaus interessant, doch wäre es meiner Meinung nach besser gewesen, sie auch auf die Leinwand zu projizieren. Der Vortrag war äußerst informativ und besonders wissenschaftlichen gut und aufwändig recherchiert. Man merkt, Olga de Soto weiß, über was sie spricht. Persönlich hätte ich gerne mehr über das Stück selbst erfahren. Zum Beispiel über die Symbolik mancher Bewegungen oder Posen, über die Kostüme und Requisiten wie der Fahne. Der Abend wurde mehrmalig von kurzen Filmsequenzen einiger Zeitzeugen unterbrochen, die mir besonders gut gefallen haben, da die Anekdoten mit viel Leidenschaft und Körpereinsatz dargeboten wurden. Außerdem machten diese wunderbaren Erinnerungen ‘die Legende’ Kurt Jooss menschlicher und greifbarer.

Besonders am Ende hätte man einige Passagen ihres Vortrags weglassen können. Es wurde ein bisschen „um den heißen Brei“ geredet und damit den Abend unnötig verlängert. Trotz der vier Zuschauer, die den Vortrag früher verließen, hatte ich den Eindruck, dass das Publikum doch sehr zufrieden war. Mit ausladendem Applaus ließ es daher den Abend ausklingen.

von Helen Esther Aschauer, 05.08.2012


Samstag, 4. August 2012 Martin Nachbar (DE) – „Urheben−Ausheben“
What I could pick up from the performance „Urheben− Aufheben” was how Martin Nachbar was moving, acting when he talked and how the public reacted. In my opinion the dancing was interesting; I could feel what he wanted to portray even though I hadn't understood before what he wanted to do. Nachbar had a reason and a focus when he danced that I thought was really interesting. Unfortunately, in my opinion he was not able to get out the same clearness when he was talking and showing things on the board as when he danced. He mumbled a lot, which is also a reason why I didn't understand what he said, and it felt more like he spoke for himself than for the audience. But even though I didn't get it, I understood that the bigger part of the public thought he was funny at least.

After the performance I realized that they had manuscripts in English that you could get and translate the performance for yourself, so after this discovery I asked if they maybe could send me a copy of it, so I could read it through before I wrote anything down about it − which I did. And though I thought it was interesting to read afterwards about what he was actually talking about. It was interesting to read about his process of making a performance; I still feel like it is not really what I want to see on stage. I've seen a lot of performances that remind me of this one, and I've come to the conclusion that what I want to see on stage is not the process, but the result of the process.

von Tanya Rydell Montan, 11.08.2012


Sonntag, 5. August 2012 Xavier Le Roy (FR) – „Product Of Other Circumstances“
Bis auf eine Kiste, auf der ein Laptop steht, und einigen Wasserflaschen ist die Bühne leer und kahl. Eine große weiße Leinwand bildet den Hintergrund. Xavier Le Roy wartet schon, als die Zuschauer ihre Plätze einnehmen. Er beginnt zu tanzen, ohne Musik. Das Licht im Zuschauerraum bleibt an, sodass man die Reaktionen der Gesichter neben sich beobachten kann. Langsame, verschlungene Bewegungen, die Gliedmaßen verkrümmen sich, drehen sich in unterschiedliche Richtungen, die Augen sind verdreht, das Gesicht schneidet Grimassen. Butoh nennt sich dieser japanische Tanzstil, mit dem sich Xavier Le Roy beschäftigt. Ungewohnt, aber interessant, sind meine ersten Gedanken.

Eine Art Düsterheit und Bedrücktheit haftet dem Ganzen an. Ich bin neugierig, wie sich der Abend gestalten wird. Kann Xavier sich zwei Stunden lang so bewegen? Kann ich ihm zwei Stunden lang dabei zusehen? Doch kurz darauf ist der Tanz schon beendet und Xavier beginnt zu erzählen, wie es zu der Erarbeitung der Choreografie und der Beschäftigung mit Butoh kam. „To become a Butoh dancer, you need two hours.“, dieser Ausspruch Xaviers gegenüber Jerome Bel gab den Ausschlag zur Beschäftigung mit der japanischen Tanzform. Xavier Le Roy dokumentierte seine Auseinandersetzung genau und erzählt den Zuschauern auf sehr persönliche und auch sehr amüsante Weise Schritt für Schritt von seinem Vorgehen, seinen Erfahrungen und seinen Problemen bei der Annäherung an einen fremden Tanz. Er zeigt Videos, Bücher, Wikipedia-Einträge und tanzt selbst immer wieder kurze Sequenzen.

Durch diese Art der Verknüpfung von Diskurs und Praxis fällt es mir als Zuschauer leicht, einen Zugang zu der anfänglich eher befremdlich wirkenden Tanzform zu bekommen. Auch wenn er es laut eigener Aussage nicht geschafft hat, innerhalb von zwei Stunden zu einem Butoh-Tänzer zu werden – am Ende gibt es viel Applaus für Xavier Le Roy und seine zweistündige Performance.

von Frieda Fielers, 09.08.2012


Montag, 6. August 2012 Lance Gries (US) – „Etudes for an Astronaut“
Am 6. August gab es zwei Vorstellungen von Lance Gries „Etudes for an astronaut“, da die erste sofort ausverkauft gewesen war. Als ich dort ankam, meinte jemand, wenn Amerikaner irgendwo sind, steigt der Lärmpegel gleich enorm. Wieso? Kurz darauf wusste ich warum: ein Bus von 45 Amerikanern, eine Tanzschule aus Florida, drängte sich ins Theater und nahm die gesamte Vorstellung eine kichernde unruhige Präsenz ein.

Lance Gries war bereits im Raum. Er befand sich am Boden neben einem weißen Podest und einem weißen Stuhl. Er bewegte sich, den Rücken meist im Kontakt zum Boden in fließenden Bewegungen aus dem Rumpf heraus und mit einer Art Pedaltreten der Beine. Die Schwerkraft scheinbar aufgehoben. Der Raum war 17 Meter lang, der Tanzboden und Wände waren weiß, so wie die paar Gegenstände ebenfalls weiß waren. Ein Gefühl von Weite im Weltraum. Lance hatte sein Solo, das eigentlich für einen Tanzraum von 6 mal 7 Meter konzipiert war, in den letzten Tagen verändert. Unter dem scheinbar leichten Solo befindet sich eine rigide Struktur. Etudes for an astronaut. Eine silberfarbene Jogginghose und ein glänzendes silbernes Langarmshirt verstärkten den Eindruck des Astronauten. Eher ungewöhnlich waren die schwarzen Flipflops, in denen er sich in einer wiederholenden Sequenz quer durch den Raum bewegte. Mit einer Leiter wollte er gen Himmel steigen, danach hing sie dann auf einmal schräg im Studio. Lance Gries zog das Silberkostüm aus und trug darunter das gleiche in schwarz. Da kam dann auch der für mich stärkste Moment: der Raum verdichtete sich, als Computermusik einsetzte und er in eine endlos fließende tänzerische Sequenz auf kleinem Raum glitt. Gerne würde ich das Solo noch einmal auf begrenzterem Raum ohne laute amerikanische Kinder sehen, da mir eins der Geheimnisse des Performers seine Feinheit schien, seine Ruhe und das Entstehen einer Atmosphäre, die einen mitnimmt, den Raum außer Kraft setzt. In der zweiten Vorstellung eröffnete sich dieser Zauber, wie ich hörte.

Im Laufe der Vorstellung sah ich dann noch einen Besen schweben, Lance Gries das schwarze Kostüm ausziehen. Darunter kamen lange, bunte Shorts zum Vorschein. Im Stil eines American Beachboy wiederholte er Sequenzen vom Anfang. Es gab einige schöne Lichtstimmungen. Dies verlor sich im Raum, berührte mich nicht mehr. Lance Gries tanzte 10 Jahre mit Trisha Brown, schuf danach eigene Werke. Da Stücke machen und verkaufen auch in Amerika ein sehr schwieriges und hartes Geschäft ist, zog er es vor, sich auf das Unterrichten zu konzentrieren. Erst 2010 als Freunde ihm eine Residenz in Paris anboten, die in Brüssel fortgesetzt wurde, wo er als Gründungsmitglied von P.A.R.T.S regelmäßig unterrichtet, begann er wieder zu choreografieren.

Es war der richtige Zeitpunkt, das Finden und Entdecken ging leicht von der Hand, es sollte eine Studioperformance werden, die aber so gut ankam, dass sie inzwischen schon mehr als 25 Aufführungen erlebt hat: in etablierten Theatern bis zu Freiluftaufführungen vor mexikanischer Landbevölkerung. Für Lance waren die verschiedenen Reaktionen sehr spannend. Jeder schaut doch mit seinen eigenen Augen und wird durch anderes bewegt und angesprochen. Für Lance bedeutete das Solo auch einen neuen Aufbruch. Für seinen 50 Geburtstag bereitet er Teile aus früheren Stücken mit damaligen Kollegen neu auf. Dazu steht eine Performance mit seiner lebendigen 80-jährigen Alexandertechniklehrerin June Ekman und einer Limóntänzerin Sarah Staghouse in dieser Altersgruppe an. Beide Damen waren sehr wichtig für seinen Weg.

Das würde ich gerne miterleben: gelebte, gemeinsam geteilte Tanzgeschichte, gelebtes Leben in einer Performance!

Von Barbara Maria Messner


Dienstag, 7. August 2012 Olga de Soto (ES/BE) – „reflections on the green table“ (Arbeitstitel) 

Auf diese Vorstellung hatte ich mich besonders gefreut. „Der grüne Tisch“, ein spannendes Werk der Tanzgeschichte in der Betrachtung von heutigen Tänzern. Was ich dann sah, war eine Aneinanderreihung von schlecht gefilmten Videoprojektionen auf Tafeln, die von der Decke hingen und verschoben wurden. Immer hoffte man, dass könnte jetzt doch ein Tisch werden, da könnte doch jetzt was auf der Bühne entstehen. Tänzer bewegten sich sanft in der Szenerie. Ihre Aufgabe bestand darin, die Klappen der Projektoren zu öffnen und zu schließen, diese zu verschieben, oder kleinere Tafeln vor die Projektionsflächen zu halten, die die Gesichter fokussierten.

Die unaufdringliche Präsenz der Tänzer, ihr Gleiten durch den Raum, schuf eine schöne Atmosphäre. Es entstanden immer wieder neue räumliche Perspektiven, aber auch viele ungenutzte Möglichkeiten, in denen man die Tänzer, ihre Beziehungen zum grünen Tisch wie auch Olga de Sotos Haltung dazu ins Spiel hätte bringen können. So war es eine Aneinanderreihung von Interviewschnipseln mit Zeitzeugen, die an und für sich sehr interessant waren, absolut spannend als Teil eines Stückes, aber nicht als Vorstellung in einem Tanzfestival. Es gibt hervorragende Fernseh-Dokumentationen über den grünen Tisch mit gut gefilmten Aufnahmen von Zeitzeugen. Olga de Soto, deren Projekt mit üppigen Summen deutsch und international gefördert wird, hätte gut daran getan, einen kompetenten Kameramann, Tonspezialisten, Cutter und Dramaturgen hinzuziehen. An dem Präsentationsabend fehlte zu dem jegliche Erklärung zu den Befragten, wer waren sie, wann hatten sie mit Kurt Jooss getanzt oder die Aufführung gesehen. Da war zum Beispiel eine Frau, die eigentlich Geschichtslehrerin werden wollte, den grünen Tisch sah und von da ab ihr Leben komplett änderte, da sie in dem Stück tanzen wollte. In einem späteren Filmschnipsel ist herauszuhören, dass sie in der Truppe war. Ich als Zuschauerin hätte gerne gewusst, wie sie das geschafft hat. Ein Deutscher verliert sich in kaum verständlichem Englisch, gespickt mit deutschen Begriffen der damaligen Zeit. Ein Stück über deutsche Tanzgeschichte, in Deutschland gefördert, warum ist kein Deutscher in der Truppe? Der hätte das Interview führen können, denke ich.

Nach der Vorstellung wurde mir Georg Froscher vorgestellt, ein in München lebender Kurt Jooss-Tänzer der ersten Stunde, ein echter Zeitzeuge, der reden und sich bewegen kann und vor Ort ist. Warum ist er beispielsweise nicht dabei, wenn München als Koproduzent auftritt und den Rahmen für die Premiere der ersten Arbeitsschritte bietet? Hatte ihn die Choreografin und Tanzforscherin nicht auf der Liste der damaligen Tänzer? Als Olga de Soto am nächsten Tag in das Feedbackseminar mit Georg Weinand, das ich gerade besuche, kommt, ist sie viel zu spät. Als sie endlich eine Frage an uns formuliert hat, wie wir ihr helfen können, ist sie eigentlich schon auf dem Weg zum Zug. Wir erarbeiten eine Liste mit den Aspekten, die in der Präsentation funktionierten und solchen, die man sich als Zuschauer, Produzent, Kurt Jooss, Kurator, usw. wünschte. Vielleicht würde ihr ein distanzierter Blick von außen guttun, aus der emotionalen Verhaftung mit dem Videomaterial zu kommen.
„Kill your darlings“, würde ein Cutter sagen. Im November 2012 ist die Premiere. Da kann noch viel passieren!

Von Barbara Maria Messner, 10.08.2012


Mittwoch, 8. August 2012 Sabine Glenz (DE) – „Wucht“
Umgeben von Pappkartons sackt sie in sich zusammen. Langsam neigt sich Zufit Simon zur Körpermitte, um sich dann ruckartig wieder aufzurichten, sich zu strecken. Immer wieder. Ist das die titelgebende Wucht, die die Tänzerin spürt, der sie Ausdruck verleiht? Flache, zerschnittene, bemalte und ineinander gesteckte Kartons bilden das Bühnenbild, das von den Tänzern immer wieder neu angeordnet werden kann. Projektionen auf der Rückwand zeigen die drei Tänzer beim Präparieren der Kartons. Der Entstehungsprozess wird betont und ausgestellt.

Sabine Glenz‘ Stück thematisiert unterschiedliche Aspekte einer Produktion: die Entwicklung, das Kollektiv, den Körper in Beziehung zum Material. Doch bleiben die Pappkartons auf der Bühne weitgehend ungenutzt, die Beziehung zwischen Körper und Gegenständen wird nur wenig hervorhoben. Schade, finde ich. Auch fällt es mir schwer, die kollektive Energie in der Choreografie wieder zu finden: Die Tänzer bewegen sich unabhängig voneinander, es gibt keinen Körper- oder Augenkontakt, keine Kommunikation. Sie kriechen, liegen, drehen, springen, gehen, stolpern über die Bühne, verharren mal still, tanzen dann wieder sehr raumgreifend. Jeder in seinem eigenen Tempo. Ist das eine andere Form von Kollektiv, in der jeder nur auf sich selbst fixiert ist? Kann daraus etwas Gemeinsames entstehen? Mit vielen unbeantworteten Fragen bleibe ich zurück.

Von Frieda Fielers, 09.08.2012


Donnerstag, 9. August 2012 Hiroaki Umeda (JP) – „Accumulated Layout/ 2. Repulsion“
„Accumulated Layout“: Die Bühne ist dunkel, die Show beginnt: Zu sehen ist eine kleine, in Schwarz gekleidete Figur in der Mitte des Raumes: Hiroaki Umeda, der seine linke Hand bewegt, ähnlich einer sich windenden Schlange. Die Musik dazu ist ebenfalls düster, minimalistisch, elektronisch, wie auch das nüchterne Licht. Der Fokus liegt nur auf Hiroakis Hand. Fade- out mit direktem Fade- in von sowohl Musik als auch Licht. Nun die rechte Hand: Die minimalistischen und isolierten Bewegungen werden schneller und größer. Nach und nach kommen Arme, Oberkörper, Kopf, Hüfte, Beine und Füße hinzu. Die sich steigernden Bewegungen sind perfekt abgestimmt zur eigens kreierten Musik und dem Licht, insbesondere die plötzlichen Akzente wirken wie auf die Millisekunde synchron.

Was den Tanz angeht, lassen sich deutlich die technischen Einflüsse aus HipHop erkennen und wäre die Musik nicht elektronisch würde man Umedas Tanz auch eindeutig als HipHop identifizieren. Zu stark jedoch ist der Kontrast zu zwischendurch unerträglich wirkenden sehr hohen Tonfrequenzen und immer wiederkehrenden Musikmustern, aber auch dem Kostüm: Schwarzes knittriges Jackett über hellem Shirt, Anzugshose und klassische Jazzschuhe.

Als Zuschauer ist man gebannt von Bewegungsschnelligkeit und plötzlichen körperlichen Akzenten zu Licht- und Soundeffekten, teilweise wie Elektroschocks, Stromschläge. Und stelle ich mich vor, ich würde als ,,Eindringling“ auf der Bühne sein, bin ich mir nicht sicher, ob ich eine Chance hätte, den Tänzer in seinem Fluss unterbrechen zu können. Ob er mich überhaupt beachten würde oder ob ich wie vom Stromschlag getroffen, von der Bühne fliegen würde, so intensiv und impulsiv wirkt das Körper- Musik- Licht- Spiel. Dies endet schnell, gefolgt von tosendem Applaus, zunächst vereinzelten, dann allgemeinen Jubelrufen und sogar Fußstampfen. Das Publikum ist begeistert und auch Umeda sieht man seine Freude darüber an, der als kurzes Dankeschön seinen Kopf- „Propeller“ gibt, was man gesehen haben muss, um es zu verstehen...

Der zweite Teil des Abends ist „2. Repulsion“: Zu sehen sind drei im Dreieck auf der Bühne angeordnete Tänzer. Mein erster Gedanke: Das sind keine Tänzer. Alle drei völlig verschieden voneinander, von der Körperhaltung ehr untypisch für moderne Bühnentänzer. Aber das sind sie auch  wie sich herausstellt: Zu ebenso minimalistischen Musik wie in Umedas Solo tanzen sie HipHop. Viele asynchrone Zeitlupenbewegungen, sehr kurze Frequenzen zusammen, später Soli, aber immer durchzogen von Zeitlupenbewegungen und Freezes. Umedas Stil, Parallelen zu seinem Solo und seiner choreografischen Arbeit sind klar zu erkennen. Ein zusätzliches Image, das sich mir hier jedoch immer weder aufdrängt, ist das eines Computerspiels: „Ego Shooters“; etabliert besonders durch die Akzente der Musik, mit den entsprechenden Bewegungen dazu. Brutal, impulsiv, effektiv. Das Publikum reagiert mit ähnlicher Begeisterung wie zuvor und auch den Tänzern steht das Glücksgefühl ins Gesicht geschrieben. Mein Fazit: Lohnenswert!

Von Lara Kuhlmann, 13.08.2012
 

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