Orientalische Träume

Das Halbfinale des 7. Internationalen Choreografie-Wettbewerbs „No Ballet“ in Ludwigshafen

Ludwigshafen, 11/11/2012

Spannung liegt in der Luft, wenn sich der schwere Vorhang des Theaters im Pfalzbau behäbig und geräuschvoll öffnet. Auf und zu, auf und zu, mindestens achtmal wiederholt sich das Ritual an den beiden Abenden, an denen sich die Finalisten des Internationalen Choreografie-Wettbewerbs „No Ballet“ in Ludwigshafen unter dem kritischen Blick einer achtköpfigen Jury und vielen mitfiebernden Fans messen lassen. „Das Logo, ein durchgestrichener Spitzenschuh, bedeutet nicht Vorsicht Hochwasser, sondern, wie der Name no ballet sagt: kein Ballett“, launig führt der Moderator Klaus Tantzen durch das Wettbewerbsprogramm, überbrückt Umbaupausen, bereitet inhaltlich auf den kommenden Beitrag vor .

Für Ballettschaffende gibt es Wettbewerbe allenthalben, doch Tanzschaffende, die nicht vom Ballett kommen, fallen durchs Raster, bis die Tänzerin und Choreografin Juliane Rößler die zündende Idee hat, einen Wettbewerb zu organisieren, der den Spieß umdreht und alles an Tanz, außer Ballett, einlädt. Sie kann dafür den Intendanten Hansgünter Heyme begeistern und leitet, assistiert von Ellen Kokaras, seit sieben Jahren die Veranstaltungen „no ballet“ und „+phat_skillz//dance“.

Das Konzept erfreut sich weltweit wachsender Beliebtheit. 300 Choreografen aus 55 Ländern haben sich in diesem Jahr für „no ballet“ angemeldet, 16 kurze Stücke, je acht an einem Abend wurden vorselektiert. Viele Duette, manch Trio und Quartett, seltener Gruppenstücke, kommen in der Vorentscheidung am ersten Tag Stücke aus der Schweiz, den USA, der Slowakei, Tschechien, Südkorea, Japan/Frankreich und Deutschland zum Zuge. Die Tanzrichter entscheiden sich für „Another Chopsticks Story“ von Misato Inoue und Félix Duméril (Japan, Frankreich), eine gewitzte Parodie zur Opernmusik von „Madame Butterfly“, auf den Tanz, auf Asien-Klischees und das Verhältnis der Geschlechter.

„Integrating orientals dreams“, ein Satz des japanisch-französischen Duos, den sich wohl auch die Tschechin Hana Tureckova auf die Fahnen geschrieben hatte und dazu in „Mono no Aware“ mit sechs (à la Butoh) weiß geschminkten, in Goldfolienröcke verpackten Tänzern ein kulturelles Missverständnis auftischte, dass es einem die Nägel kräuselte. Weniger peinlich dafür arg pathetisch „Adelaars“ (Adler) in dem der Slowake Jan Sevcin drei Damen ohne Unterleib, hochgebockt in dunklen Röcken (wie Felsen) und inspiriert von Musik und Adler-Ritual der Mongolei vogelähnlich Oberkörper und Arme schwingen lässt. Auch das deutsch-schweizer Damenduo Sarah Waelchli / Lenah Flaig fiel mit „1,2,3 Echo“ bei der Jury durch. Leider konnten auch die beiden Boys aus Südkorea mit der Choreografie „Coexistence“ von Boram Kim, die den Machismo tänzerisch zuspitzt und wie lebendige Cartoon-Figuren rasant überzeichnet, die Jury nicht überzeugen.

Spannend wird das Finale der letzten acht, zu denen aus der ersten Halbfinalrunde neben „Another Chopsticks Story“ noch „To“, ein sehr konstruiertes Trio für zwei Tänzer, eine Tänzerin und ein Fahrrad von Isak Immanuel (USA) zählen, sowie die im Duo schön getanzten Narzissmus-Variationen von Tillmann Becker „The one we act, the other we are“ (Deutschland) und „Choro Corpora“ der Amerikanerin Elisabeth Erber. „Meditationen des Rückgrats“, so der Untertitel, ist sehr reduziert, bewegen die vier Tänzerinnen doch ausschließlich ihre Wirbelsäule in sanften, dynamisch an- und abschwellenden Wellen. Konzeptuell interessant, irritieren die gehäkelten Bodystockings und Duschhauben. Gäbe es einen Preis für‘s hässlichste Kostüm, den hätte das Damenquartett verdient.

 

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