Grundlagenarbeit über Yvonne Rainers „Trio A“

Das Symposium im Museum Ludwig in Köln

Köln, 11/05/2012

Es ist ein Sog, der entsteht. Still sitzt man im unteren Foyer im Museum Ludwig und verfolgt die immer gleiche Bewegungsfolge, Solo „Trio A“, Yvonne Rainers weltweit bekannteste und erfolgreichste Choreografie. Sara Wookey, eine von fünf zertifizierten „Transmittern“ von Trio A, hat sie mit Studierenden des Zentrums für Zeitgenössischen Tanz an der Hochschule für Musik und Tanz einstudiert. Noch bis Ende der Ausstellung über das umfassende filmische und choreografische Werk der amerikanischen Künstlerin wird man sich immer wieder auf diese fast meditative Entdeckungsreise begeben und sich davon faszinieren lassen dürfen, dass ein im Museum zu sehendes Werk nicht, wie die meisten Exponate in den oft nach Konzepten bestückten Ausstellungshallen, Objekte aus festem Material, Flachware an der Wand oder Filmloups sind, sondern sich durch Übertragung und in Differenz zum Original, dem Körper Yvonne Rainers aus dem Jahr 1966, in anderen Körpern, egal ob sie groß oder klein, füllig oder schlank sind, für jeweils einen Moment aktualisieren.

Wookeys Vortrag über ihre Zusammenarbeit mit Rainer gehörte denn auch zu den fesselndsten Momenten der zweitägigen Tagung, zu der das Museum unter dem Titel „Intermediale Konstellationen“ eingeladen hatte. Detailliert erzählte die Amerikanerin von den Herausforderungen und Erfahrungen, Rainers Verständnis und Übertragungsweise des Solos auf andere zu bewahren und weiterzugeben. Man erfuhr viel über die Bilder und Metaphern, mit denen Rainer die einzelnen Bewegungen identifiziert hatte, über das Zustandekommen des Tempos, in dem jeder das Trio exerzierte, und die einzelnen Komponenten, in die es sich analysieren lässt: Bewegung, Orientierung im Raum, Momente der innehaltenden Aufmerksamkeit zum Beispiel. Gepaart mit dem aufschlussreichen Vortrag von Yvonne Hardt, die Rainers Bedeutung für die Tanzwissenschaft erörterte, entstanden neue Innensichten auf das Werk und vor allem die Rezeption von „Trio A“ im Besonderen und Rainers Choreografie-Verständnis im Allgemeinen.

So arbeitete Hardt konzise heraus, wie stark Rainers berühmt gewordenes „No-Manifest“ nur auf deren eigene Arbeit bezogen werden dürfe und mitnichten als ein Plädoyer gegen andere künstlerische Entwürfe jener Zeit gemeint gewesen sei. Darüber hinaus dürfe es nicht, wie bislang geschehen, einseitig auf die Bedeutungsdimensionen von „Trio A“ bezogen werden, das ja, so die Tanzwissenschaftler, ein Teil der größeren Arbeit „The Mind is a Muscle“ gewesen sei. Insgesamt sei der Diskurs, der bislang über Rainers choreografisches Werk geführt worden sei, zu hinterfragen, da er zum einen, so Hardt, einseitig auf Sally Banes emphatischer Erstanalyse von „Trio A“ aufsattle und die reiche dokumentarische Tätigkeit der Künstlerin zu wenig beachte. Zum anderen habe gerade Rainer durchgehend ihre eigene Arbeit kontextualisiert, analysiert und in ein produktives Umfeld zum künstlerischen Umfeld setzen wollen.

Diese Grundlagenarbeit, die Hardt und Wookey oder auch Karolin Meunier in ihrer Lecture über Rainers intensive Arbeit mit eigenem autobiografischem Material für das über hundert Zuhörer umfassende Publikum leisteten, stand in einem spannenden Verhältnis zu den anderen Vorträgen, die von Kunsthistorikern und Filmwissenschaftlern bestritten wurden, zeigte sich doch gerade die vermeintliche Schwäche der Tanzwissenschaft, im Vergleich zu den anderen Disziplinen über eine kleinere theoretische oder methodische Basis zu verfügen, als Stärken. Wo jene sich zuweilen in schnell heruntergespulten, lange Sätze umfassenden Vorträgen an ein ganz spezifisches Fachpublikum der eigenen Zunft wandten, verbanden erstere ihr Wissen in praktischen und theoretischen Dimensionen – ein Genuss.

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