Sportlicher Fight einer Brio-Ballerina

Natalia Osipova debütiert als Käthchen in „Der Widerspenstigen Zähmung“ des Bayerischen Staatsballetts

München, 14/03/2011

Zu schön, um wahr zu sein. Aber wenn man wirklich dem Shakespeare-Stoff entsprechen will, hätte eine ganze Reihe von Ballerinen ihre „Zähmung“ erst in reiferen Jahren erleben dürfen. Stuttgarts Márcia Haydée war insofern eine Idealbesetzung für die Rolle, als sie das Alter ihrer Figur durchaus ahnen ließ, und ihre Münchner Kollegin Konstanze Vernon eigentlich auch. Schließlich muss der eigentliche Ausgangspunkt des Balletts dem Publikum klar werden: nämlich die durchaus verständliche Sorge des Vaters, seine ältere Tochter nicht versorgt zu wissen und nicht mehr unter die Haube zu bringen. Deshalb seine Bedingung: Bevor Bianca heiratet, muss jemand Katharina ehelichen.

In der 111. Vorstellung des Cranko-Hits „Der Widerspenstigen Zähmung“ könnten die drei Freier aus der räumlichen Entfernung heraus aber ebenso gut Katharina anschwärmen. Natalia Osipova sieht blendend aus, hat das Temperament, das eine Tänzerin für diese Rolle braucht, und ist, was die Zahl ihrer Jahre anbelangt, vermutlich unwesentlich älter, wenn nicht sogar um einiges jünger als Ekaterina Petina, die beim Bayerischen Staatsballett bildschön die Bianca verkörpert: was die Dramaturgie des Stücks natürlich nachhaltig durcheinander wirbelt. Was Wunder auch: Wenn die Bolschoi-Ballerina über die Bühne fegt, bleibt kein Stein auf dem anderen, das heißt kein Tänzerbein auf dem Boden. Natalia Osipova lässt sich nicht so ohne weiteres bremsen, und dass dies ausgerechnet diesem Petrucchio gelingen soll, muss Lukáš Slavický erst einmal beweisen. Er wirkt viel zu brav, um ihr ernsthaft Paroli bieten zu können, und wahrscheinlich ist es weniger sein Bizeps, der sie bezwingt, als vielmehr der Sense of humour, der die beiden am Ende des ersten Aktes eint. Für Natalia Osipova ist das Ganze nicht nur eine Herausforderung, was ihre darstellerischen Ausdrucksmöglichkeiten betrifft.

Noch scheint die „Zähmung“ der Widerspenstigen für die Debütantin eher ein sportlicher Fight, der sie an die eigene Vergangenheit erinnert, und in solchen Augenblicken ist Natalia Osipova perfekt. Aber zur wirklichen Natur ist die Katharina noch nicht geworden. Person und Partie decken sich noch nicht in jedem Detail. Vieles wirkt nur angelernt, noch nicht so verinnerlicht, wie es das Ballett „Der Widerspenstigen Zähmung“ eigentlich verlangt – und deshalb wird sie noch einige Zeit brauchen, bis der aufgehende Star am Balletthimmel die Aufführung so überstrahlt, wie man das von einer Brio-Ballerina wie Natalia Osipova erwartet. Zeit hat sie ja genug, um in die Rolle richtig hinein zu wachsen. Und Komik ist ihrem Körper keineswegs fremd; das Störrische ihrer Katharina hat Hand und Fuß. Auch liefert das Kraftwerk der Gefühle bereits beim ersten Auftritt so viel Strom, um das Publikum zu elektrisieren. Was ihrer Rolle vielleicht noch fehlt, ist Wahrhaftigkeit, und die kommt bei dieser Katharina sicher von allein. Schließlich ist die Vorstellung im Münchner Nationaltheater schon jetzt alles andere als bloß ein Versprechen. Sie zeigt die Möglichkeiten auf, die Natalia Osipova zur Verfügung stehen. Sie muss sie nur nützen.

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