Drache, Feuerball und Wolke

Gastspiel „Nüwa“ von Shang Chi Sun begeistert die Tanzfans beim Heilbronner Tanzfestival

Heilbronn, 30/05/2011

Nicht bei der Auftaktveranstaltung des Heilbronner Tanzfestivals im Großen Haus hat man einen Stern am Tänzerhimmel aufgehen sehen. Auch die Grand Dame des afrikanischen Tanzes, Germaine Acogny, ein Solitär des schwarzen Kontinents, entwickelt im Komödienhaus keine über sich hinausweisende Strahlkraft. Der Stern des Festivals „Tanz! Heilbronn“ steigt in den Kammerspielen, der kleinsten Bühne des Theaters auf und heißt Shang-Chi Sun. Der in Berlin und Taipeh lebende Taiwanese ist ein begnadeter Tänzer-Choreograf. Mal federleicht poetisch wie eine Wolke, mal kraftvoll wirbelnd wie ein Feuerball spielt dieser gertenschlanke Asket mit Energien, den beiden Partnern, den Gegenständen. „Nüwa“ ist das teils choreografierte, teils improvisierte Tanzstück betitelt.

Der Name gehört einer mythischen, chinesischen Schöpfergottheit, die sowohl die Musik erfunden als auch das Menschengeschlecht erschaffen habe. Als der Kosmos noch ungeordnet war, Himmel und Erde ihre Plätze noch nicht eingenommen hatten, überall Feuer loderte und zugleich die Flut das Land überspült hatte, schmolz Nüwa Gestein, um den Himmel zu reparieren. Sie formte die vier Himmelsrichtungen aus den vier Füßen der Schildkröte, mit der Asche von Schilf dämmte sie die Fluten ein und sie tötete den Schwarzen Drachen, um die Ordnung auf dem Land herzustellen.

Inspiriert vom bildreichen Chaos der Welt und den vielen Facetten der Göttin, entwickelt Sun ein vielschichtiges, abstraktes Tanzgedicht. Mattes Licht fällt auf einen amorphen Körperklumpen. Aus ihm schälen sich ein Mann (Shang-Chi Sun), eine Frau (Nefeli Skarmea) und die Musik (Andreas Kern). Von dumpfem Klopfen und Zischen aus dem Off begleitet, ziehen sie ihrer Wege. Aus undefinierten Geräuschen und der Stille der Körper artikulieren sich nach und nach Lautäußerungen sowie faszinierende Begegnungen im Raum, am Konzertflügel und im Dialog mit einem Holzstuhl. Kern entlockt ihm die wundersamsten Laute und im Duett mit Sun verwandelt sich das Sitzmöbel zu einem vollwertigen Partner.

Bereits 2005 mit dem Bayrischen Theater- und Literaturpreis und 2008 dem 1. Preis für Choreografie beim 12. Internationalen Solo-Tanz-Theaterfestival in Stuttgart ausgezeichnet, feierte sein jüngstes Solo „Je.Sans.Paroles“ 2011 beim Festival Via in Maubeuge (Frankreich) Premiere. In diesem Jahr übernimmt er zudem für das renommierte Cloud Gate Dance Theatre eine Auftragsarbeit. Shang-Chi Sun ist ein Komet, der gerade erst begonnen hat, das Tanzuniversum zu verzaubern.

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