„Dolle Nummer“ mit gebrochener Biografie

Auf Spurensuche nach Valeska Gert

Berlin, 12/05/2011

Wo ist das Ehrengrab des Landes Berlin? Kein Lageplan gibt Aufschluss. Nirgendwo ein Hinweis. Nichts. Weit hinten auf dem Friedhof Ruhleben, unweit eines buddhistischen Gräberfelds gelegen, findet sich schließlich ihre letzte Ruhestätte. Ein dunkler Stein, auf Hochglanz poliert. Darauf in Magenta (oder sollte man besser sagen: in Pink) der Name wie eine Signatur: Valeska Gert. Darunter ebenso lapidar wie lakonisch ihr Beruf: TÄNZERIN. Ganz so, wie es der Leiter des Deutschen Tanzarchivs und Autor ihrer Biografie, Frank-Manuel Peter, einst entworfen hat. Ein paar Steinchen, wie auf jüdischen Grabmälern üblich, lassen darauf schließen, dass sich die Devise von Valeska Gert am Ende doch bewahrheitet hat. „Ich will leben, auch wenn ich tot bin“: So nennt sich nicht nur ein Vortrag von Frank-Manuel Peter am 13. Juni, sondern insgesamt die Veranstaltungsreihe, die in Filmbeiträgen, Lesungen und Vorträgen einen Einblick geben will „in Leben und Werk der extravaganten Tänzerin, Schauspielerin, Kabarettistin und Autorin, die Kurt Tucholsky einst als ‚dolle Nummer‘„ beschrieben hat. So heißt es jedenfalls im Flyer zur Ausstellung „Valeska Gert. Ein bewegtes Leben in Tanz, Film und Kabarett“, die Franziska Buhre und Elke Vera Kotowski im Auftrag des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien erstellt haben – in Kooperation mit dem Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Potsdam, und zwar im Rahmen des Themenjahres von Kulturland Brandenburg 2011 „LICHT|SPIEL|HAUS – moderne in film, kunst, baukultur“.

Die Schau unterm Dach des Kooperationspartners ist schon aus finanziellen Gründen nicht gigantisch. Aber wer genug Fantasie besitzt, kann sich dort leicht in die Atmosphäre des legendären „Ziegenstalls“ einfühlen. Das niedrige Gebälk lässt den Raum anheimelnd erscheinen. Es gibt Nischen und Ecken, die zum Verweilen einladen. Was den Gesamteindruck vielleicht noch vervollkommnen könnte, wären ein paar Fuder Heu, willkürlich auf dem Boden verstreut. Doch die hätte in Potsdam die Feuerpolizei sicher ebenso bald untersagt wie seinerzeit auf Sylt, wo im „Ziegenstall“ eben jener Julius H. Schoeps in jungen Jahren Teller waschend sein Studium finanzierte, der als Leiter des Moses Mendelssohn Zentrums nicht zuletzt den Anstoß zu dieser Ausstellung gegeben hat.

Valeska Gert ist 1978 gestorben. Neues Anschauungsmaterial kann nicht groß hinzugekommen sein. So finden sich in der Ausstellung immer wieder Fotos, Programmzettel und Porträts (riesig beispielsweise das von Ulrike Ottinger, das sie wie Phantom erscheinen lässt – oder zumindest als Bruder von Clown Dimitri), Beispiele an Anfeindung (wie das schon in Peters „dokumentarischer Biografie“ publizierte „Aufbau“-Statement) und der Verehrung (wie der Bittbrief von Hanna Schygulla, die bei Valeska Gert Schauspielunterricht nehmen wollte). Erstmals öffentlich zugänglich sind innerhalb der Schau einige Tondokumente und vor allem jene Collagen, Lithografien, Gemälde und Skulpturen von Clemens Bautz-Zukanic, Charlotte Berend, Christian Hinrich Claussen, Wolfgang Müller oder Birgit Rautenberg-Sturm, die die ungebrochene Wirkung einer „gebrochenen Biografie“ bezeugen.

Nicht zuletzt lebendig wird Valeska Gert in Filmen wie der „Dreigroschenoper“, dem „Tagebuch einer Verlorenen“ oder in dem Kaleidoskop „Nur zum Spaß, nur zum Spiel“ von Volker Schlöndorff. Eine Podiumsdiskussion mit Christina von Braun, Ulrike Ottinger und Christiane Retzlaff ergründet am 20. Mai das „Faszinosum Valeska Gert“. Eine Woche später spricht Susanne Foellmer über das „Phänomen des Grotesken im Tanz Valeska Gerts“, und zur Finissage am 13. Juni haben sich Künstler und Wissenschaftler wie Birgit Rautenberg-Sturm, Frank-Manuel Peter, Wolfgang Müller, Laure Guilbert und Anna Haentjens angesagt, um aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln einer „außerordentlichen Frau“ gerecht zu werden, der mehr Ehre gebührt als nur ein Ehrengrab.

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