100mal „Nijinsky“ in Hamburg und eine Überraschung

Ein bemerkenswerter Abend mit einer Repertoire-Vorstellung

Hamburg, 23/01/2011

Manche Jubiläen werden weder groß angekündigt noch sonderlich gefeiert – und geraten zu wahren Sternstunden, wo man nur von Glück sagen kann, dabei gewesen zu sein – zufällig. So geschehen am vergangenen Samstagabend bei der 100. Vorstellung von John Neumeiers „Nijinsky“ in Hamburg. Die Kompanie tanzte dieses große Werk ihres Direktors so inspiriert wie eh und je – nur noch reifer, souveräner, begeisternder.

Mit einem grandiosen Alexandre Riabko in der Titelrolle – schon rein äußerlich hat er große Ähnlichkeit mit dem jungen Nijinsky, aber wie er sich innerlich mit dieser Rolle identifiziert und wie er sie tänzerisch meistert im wahrsten Sinne des Wortes – das ist einfach atemberaubend. Auch die Romola von Anna Polikarpova gewinnt immer mehr an Tiefe und Innigkeit. Thiago Bordin war ein wunderbar androgyner Goldener Sklave, und Yohan Stegli porträtierte Nijinsky in seinen Paraderollen in „Spectre de la Rose“ und als Harlequin in „Carnaval“ ebenso einfühlsam wie präzise.

Die Überraschung des Abends jedoch war ein Gruppentänzer, der gerade erst in dieser Spielzeit aus dem Elevenstatus ins Ensemble gewechselt ist: Aleix Martinez. Technisch untadelig (2008 gewann er den 1. Preis beim Prix de Lausanne) verlieh er dem schwierigen Part des Stanislaw Nijinsky ein für einen erst 18-Jährigen erstaunliches Maß an Präsenz und Intensität. John Neumeier gab diese Rolle schon immer eher klein gewachsenen Tänzern (unvergessen darin und immer noch unerreicht: Yukichi Hattori). Auch Aleix Martinez ist nicht groß und so wirft er sich mit allem, wessen er fähig ist, in sein technisch wie darstellerisch hoch anspruchsvolles Solo, das er mit hoher Präzision und ebenso glaubwürdig wie anrührend gestaltet. Sein Stanislaw ist ein sensibler kleiner Junge, der an der kriegerischen, zerstörerischen Welt irre wird und zerbricht. Wenn Aleix Martinez jetzt noch ein wenig mehr seinem Gefühl vertraut und über eine Portion mehr Erfahrung verfügt, wird er noch mehr an Überzeugungskraft gewinnen. Da ist ein Talent auf gutem Wege.

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