Jubel für „Romeo und Julia“ in Leipzig

Die erfolgreiche Choreografie von Youri Vàmos wird wieder getanzt

Leipzig, 25/01/2010

Shakespeares Drama ist genial, Prokofjews Musik ist ein Glücksfall und der Tanz ist die Kunst, die es vermag, jene Geschichte einer so ungewöhnlichen wie aussichtslosen Liebe in den weiten Raum zeitloser Assoziationen zu stellen. Youri Vàmos kennt sich da bestens aus. In unterschiedlichen Choreografien, zuletzt in der berühmt gewordenen von John Cranko, hat er selbst zuerst den Paris, dann Tybalt und in München mit Joyce Cuoco als Julia den Romeo getanzt. Vor zwölf Jahren brachte er als Ballettchef in Düsseldorf seine eigene Choreografie heraus. Ein Erfolg, eigenständig wie sich bald herausstellte, nicht im Schatten Crankos, weil selbstbestimmt und anders.

Einige Jahre später übertrug er seine Inszenierung auch für das Leipziger Ballett im Opernhaus am Augustusplatz. Daraus wurde hier ein Kultstück. Hatte das Ballett ohnehin einen hohen Stand beim Publikum, „Romeo und Julia“ eroberte junges Publikum. Eindrücklich sind in der Erinnerung jene Abende an denen kreischende Teenies den Tänzer Sebastian Angermair als Romeo feierten. In seiner letzten Saison hat Ballettdirektor Paul Chalmer für die Wiederaufnahmepremiere das Werk von Alexey Afanasiev, Uwe Schröter und Youri Vàmos einstudieren lassen und zunächst etwas zögerlich, dann mit stark wachsender Anteilnahme und am Ende mit Begeisterung folgt das wiederum erstaunlich junge Publikum dem Abend um am Ende zu jubeln, wenn die beiden Sympathieträger, Tatjana Paunovic als Julia und Vadim Rzaev als Romeo vor den Vorhang kommen.

Die Zustimmung gilt ebenso der gesamten Kompanie, die mit dieser ausgesprochen tanzdramatischen Choreografie, für einen so rasanten wie berührenden Abend sorgt. In einigen Passagen geht Vàmos eigene Wege. Julia hat keine Freundin und keine Amme. Dem Pater liegt mehr an der Ordnung des geschlechtlichen Liebens der Menschen, als dass die Emotion sein Handeln bestimmte. Vor allem aber denkt man bei dieser Arbeit daran, dass sie in von mächtigen Paten bestimmten Strukturen der zwanziger und dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts in Italien spielt. So lässt diese Choreografie alle märchenhaften Muster einer nachempfundenen Renaissance weit hinter sich, ist aber so klug den Abstand zur platten Vergegenwärtigung zu wahren, und in angenehm nostalgischer Optik aktuelle Assoziationsräume zu eröffnen.

Die Welten der Ordnung und des unbeschwerten Überschwanges prallen aufeinander. Da ist die Gesellschaft der ab- und angemessenen Schritte beim Fest der Capulets und da ist in verspielt-clowneskem Gegensatz der Jux aus Übermut bei Romeo und seinen Freunden Mercutio und Benvolio, getanzt von Lei He und Shota Inoue. Streitsüchtig, in martialischem Outfit, tanzt Howard Quintero den Tybalt und gibt dem Charakter seiner Rolle gefährliches Potenzial. Die Erzählweise der Szenen, in denen aus Witz und Schelmerei unversöhnlicher Ernst und unaufhaltsam tödliche Verblendung wird, gelingt überzeugend. Bei den Todesszenen hingegen, insbesondere beim Tod des Mercutio, überlagern besonders die Erinnerungen an Crancos Version den aktuellen Eindruck. Bei Tatjana Paunovic und Vadim Rzaev darf man von Tanzglück sprechen. Gänzlich unsentimental vermögen sie durch die sensible und facettenreiche Sprache ihres Tanzes, in schutzloser Schönheit, die spannende Entwicklung von der ersten Begegnung bis in den tragisch-versehentlichen, letztlich aber unabwendbaren, Tod zu gestalten. Das ist Tanzdramatik, heiter gelöst in der Jugendlichkeit, kraftvoll berührend in der Zerbrechlichkeit, eindringlich im Aufbegehren der Sterbeszene. Der Musik von Sergej Prokofjew ist ein gewisses Pathos eigen. Sowohl die Choreografie als auch die Interpretation durch die Musiker des Gewandhausorchesters unter der Leitung von Andreas Schüller nehmen da Etliches klug zurück, so fügen sich Klang und Optik produktiv zusammen.

Ein Erfolg für die Leipziger Kompanie und ihren Chef Paul Chalmer, der ihr nach dem Tod von Uwe Scholz seit 2005 vorsteht. Chalmer geht. Was alles mit ihm geht, wird man sehen und vielleicht zu spät vermissen. Mario Schröder kommt. Was und wer mit dem neuen Ballettchef kommt, wird man sehen. Youri Vàmos ist derzeit in Prag beschäftigt. Wieder mit Shakespeare. Im April kommt seine Choreografie „Othello“, Musik von Janaček, mit dem Ballett des Nationaltheaters zur Uraufführung. Auch das wird man sehen.

www.oper-leipzig.de
 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern