Der „Tanzmacher“ Heinz Spoerli

Ein etwas anderer Ballett-Film

oe
München, 15/06/2010

Seit April läuft in der Schweiz im Kino der Film „Spoerli – Ich bin Tanzmacher“, 75 Minuten, eine Produktion der Zürcher Praesens Film AG. Es ist ein Ballettfilm der etwas anderen Art. Ein Porträt, in dem Spoerli dem Drehbuchautor und Regisseur Werner Zeidler Auskunft erteilt über seine Arbeitsweise als Choreograf und Chef des Zürcher Balletts – seine Annäherung an eine neue Kreation, die immer von der Musik ausgeht, die Einstudierung einer neuen Choreografie mit Hilfe seiner Ballettmeister, der Probenprozess im Studio und die Umsetzung auf der Bühne bis zur Vorstellung. Dabei gibt es viele Ausschnitte aus seinem inzwischen enorm umfangreichen Oeuvre, von den ersten Arbeiten in Basel – meist nur kurz, und leider viel zu kurz im Fall des ungewöhnlich amüsanten folkloristischen „Chäs“-Balletts – hauptsächlich aber aus seinen für Zürich entstandenen Arbeiten mit den dortigen Tänzern aus allen Teilen der Welt.

Und das ist eben das Besondere an diesem Film, dass er den mühseligen Prozess der Arbeit während der Einstudierung einer neuen Choreografie begleitet – vor allem an dem Pas de trois aus der Bach-Kantate „Ich habe genug“, BWV 82, mit den Tänzern Vahe Martirosyan, Arman Grigoryan und Yen Han aus der Einleitung zum „Magnificat“, die wiederum Teil des Bach-Balletts „Wäre heute morgen und gestern jetzt“ ist. Man macht sich ja kaum eine Vorstellung, mit wieviel Schweiß und Frustrationen die Einstudierung der komplizierten Hebungen und der verbindenden Überleitungen verbunden ist, bis ein Tanz aus einem Guss für drei Partner mit kontinuierlichem Bewegungsfluss daraus geworden ist. Und das gilt natürlich auch und erst recht für die großen Corps-Formationen. Man kriegt einen gehörigen Respekt vor der Unverdrossenheit der beteiligten Tänzer, die x-mal eine Passage wiederholen, bis sie sie wörtlich „im Griff“ haben – wie lange es dauert, bis aus dem Aneinanderstückeln von Schritten und Gesten ein Stück Kunst geworden ist.

Den „roten Faden“ liefert die Musik. Sie ist Spoerlis unerschöpfliche Inspirationsquelle – so, dass man versucht ist, Shakespeares „Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist …“ für ihn umzumünzen in „Wenn die Musik des Tanzes Nahrung ist …“ Sie ist es für ihn und sein Ballettverständnis. Kein „Fast Food“ und kein „Slim Food“, sondern sein „Life Food“. Spoerli ohne Musik kann man sich nicht vorstellen. Vielleicht ist das ja auch der Grund, weswegen er vorzugsweise mit armenischen Tänzern zusammenarbeitet, die, wie er, offenbar mit der Musik als Muttermilch aufgezogen worden sind. Nicht weniger als sechs Tänzer des Zürcher Balletts stammen aus der Ballettschule von Jerewan, die heute als eine der weltbesten Ausbildungsstätten für männliche Tänzer gilt. Sie tanzen heute in einigen unserer renommiertesten Kompanien – außer in Zürich auch in Berlin, Hamburg, München und Toronto. Und demnächst auch als Gruppe unter dem Titel „Forceful Feelings“ am 5. Juli im Carl-Orff-Saal des Münchner Gasteigs.

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