Der Philosoph als Märchenerzähler

Das Tanzquartier eröffnet die Saison mit einer Oper über Michel Foucault

Wien, 04/10/2010

Almabtrieb mitten in Wien: Sechs illustre Personen hielten am Freitag zu Glockenklang Einzug auf die Bühne der Halle G im MuseumsQuartier. Sie zelebrierten das einstündige Auftragswerk „The History of Sexuality Volume One by Michel Foucault: An Opera, 2010“ der US-Künstler Gregg Bordowitz und Paul Chan, mit dem das Tanzquartier (in Kooperation mit dem MUMOK) seine Saison 2010/11 eröffnete. Koproduzent des aufwendigen Stücks ist die Tate Modern, London.

Doch bleibt der originelle Auftritt von Ephebe, Foucault, einem Polizisten, Sigmund Freud, dem Papst und einem US-Akademiker in fantasievollen wie symbolträchtigen Kostümen von Kristine Woods nach Paul Chan der Höhepunkt einer Performance, die mit viel Inhalt befrachtet auf der Suche nach einer passenden Form ist. Ausgangspunkt für das Libretto von Gregg Bordowitz (in englischer Sprache) sind Texte des Philosophen Michel Foucault. Sie kreisen um Themen wie Identität, Macht und Sex.

Bewegung und Choreografie spielen eine untergeordnete Rolle. Die statische Personenführung wird mit großen Gesten aufgelockert. Diesmal tanzt die Sprache, wenn Texte mit Pathos und Anklängen an Märchen bis zu katholischer Liturgie und Klezmer deklamiert und gesungen werden. Der Sprechgesang weist in Richtung Oper und in eine Tradition, die schon Arnold Schönberg aufgriff.

Im Finale, in dem der radikale Foucault seine Muse Ephebe in einen Baum verwandeln will, zitiert Bordowitz „Daphne“ von Richard Strauss/Joseph Gregor. Die gewünschte neue Opernform kommt zu kurz.

www.tqw.at 

Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

 

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