Zwischen Tradition und HipHop

Im Ballhaus Naunynstraße kreiert Kadir „Amigo“ Memis den „ZEY’BrEaK“

Berlin, 25/01/2009

Mit dieser Produktion ist der Breakdance endgültig erwachsen geworden. Was sich lange Zeit im Zelebrieren immer neuer, immer riskanterer Figuren gefallen hat, erobert nun mit zunehmendem Erfolg die Theaterbühne, stellt, weit über artistische Bravour hinaus, den Menschen im Tänzer vor, erzählt seine Geschichte. Kommen moderne Abende selbst in den Staatstheatern kaum mehr ohne Breakdance-Anleihen aus, sucht seinerseits der HipHop nach Themen, die sich mit dessen technischen Mitteln gestalten lassen. Als Vorreiter dieses Trends firmieren HipHop-Stars wie Niels „Storm“ Robitzky mit gleich mehreren gelungenen Kreationen, sein Schützling Raphael Hillebrand, Kadir „Amigo“ Memis. Ihm, der aus der Türkei stammt, mit zehn nach Berlin kam und, wie viele andere auch, seine Meisterschaft auf der Straße errang, ist nicht nur die Gründung der legendären Formation „Flying Steps“ 1993 zu danken, mit der er zwei Mal Weltmeister wurde und weitere internationale Titel holte. Gemeinsam mit einer erlesenen Mannschaft entwarf er 2006 „2nd ID“, eines der besten HipHop-Stücke überhaupt. In „ZEY’BrEaK“, uraufgeführt beim jungen postmigrantischen Festival „Dogland“ im Ballhaus Naunynstraße, berichtet er nun über sich, seine Bedrängnisse und Zweifel.

Denn im Gegensatz zu dem in Bochum geborenen Yavuz „Risk One“ Topuz, der als das Alter Ego fungiert, reichen Amigos Wurzeln in ein westanatolisches Dorf zurück. Was in seiner Heimat die Zeybeks tanzten, Partisanen in ihrem jahrhundertelangen Kampf gegen das Osmanische Reich, dem sucht er sich als Metapher für die eigene Herkunft anzunähern. Meister des Ritus unterwiesen ihn eigens in der hierzulande unbekannten Tradition. Um den Spagat zwischen Vergangenheit und Gegenwart, für die Amigos HipHop-Umfeld steht, dreht sich das sehr persönlich gefärbte einstündige Stück. Und weil es beide Tanzrichtungen mischt, kreiert es als neuen Stil eben den „ZEY’BrEaK“.

Wie eine erdbraun gepanzerte Echse kriecht Amigo auf die Szene, tanzt zum weichen Klang des Baglama, eines türkischen Saiteninstruments, wirft den Tarnpanzer ab, trifft auf sein zweites Ich. Das steht bereits der HipHop-Kultur näher und damit für das Zerrissensein der Figur. Eine Petroleumlampe, wie die Partisanen sie nutzten, wird dabei zum Symbol für die Heimat. Zwei halbrunde Leinwände projizieren Schriftzeichen, die beide Tänzer mit den Fingern in den Raum schreiben. Zwischen den Aufstellern scheinen durch Gaze die vier exzellenten Musiker auf, deren wiegende Rhythmen Amigo in die Glieder fahren, bis Einbrüche von Percussion, Bandoneon, Kontrabass ihn aus dem Gewohnten reißen. Es ist die Angst vorm Neuen, vor dem Ausweg ins Heute, die ihn exzessiv umtreibt. Auch wenn sich sein innerer Kampf nicht immer in mitteilend gestische Haltung umsetzt, ist „ZEY’BrEaK“ ein bewegendes, zutiefst ehrliches Stück, das von Amigos immenser Intensität zehrt. Sein harmonischer Tanz macht einfach Spaß und hat in Risk One den idealen Partner. Höhepunkte sind die akrobatischen Duette in ihrem organischen Fluss, befeuert von Nevzat Akpinars atmosphärisch dichter Komposition. Wenn am Ende beide Männer befreit im gleichen Rhythmus tanzen, fußflink und weiträumig, dann haben der anatolische Junge und sein Berliner Pendant einander akzeptiert.

Bis 29.1., 20 Uhr, Ballhaus Naunynstraße, Naunynstr. 27, Berlin-Kreuzberg

Infos unter www.ballhausnaunynstrasse.de

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