Zwischen Show und Ballett

Roland Petits „Coppélia“ in Essen

Essen, 23/06/2009

Kein anderer Choreograf des 20. Jahrhunderts hat Showbusiness und Ballett so sehr miteinander verquickt wie der Franzose Roland Petit vom Ballet Nationale de Marseille. Davon legt auch seine „Coppélia“ von 1975 beredtes Zeugnis ab. Sie erlebte Sonntag Abend am Aalto Ballett Theater Essen in der Einstudierung von Petit-Extänzer Jan Broeckx ihre gefeierte Premiere.

Petit inszeniert den Klassiker als Theater auf dem Theater. Ein Leierkasten dudelt zu Beginn und am Ende der „Show“ aus dem Orchestergraben Ohrwürmer aus der herrlichen Musik von Léo Delibes, die die Philharmoniker unter Noam Zur gut genug spielen. Wenn der schwere Vorhang sich öffnet, wird dahinter der halbhoch über die Straße einer französischen Stadt gespannte „Lappen“ sichtbar. Rechts im Fenster einer Villa thront reglos die mechanische Puppe Coppélia als Ballerina im schwarzen Tutu mit roter Haarschleife und einem Fächer in der linken Hand (Petits legendäre Carmen?). Auf dem Platz davor marschieren Soldaten. Swanilda und ihre Freundinnen trippeln auf Spitze in weit abstehenden rosa Teller-Tutus kokettierend um sie herum. Aber die Herren tanzen lieber Polka mit Biedermeierdamen in Schutenhüten und Rüschenkleidern. Coppélias Verlobter Frantz hat indes nur Augen für die Puppe des Automatenbastlers Coppélius.

Personal und Geschichte sind reichlich abgespeckt. Das hat durchaus sein Gutes – die Geschichte wird klar und knapp erzählt. Es führt allerdings, will man die musikalische Abfolge nicht zerstören, zu reichlich Leerlauf. Soldaten, Bürgerinnen und Coppélius müssen ihn mit allerlei pantomimischem Firlefanz und Grimassen füllen. Reichlich altbacken wirken Gimmicks wie Kussmündchen, Gockel-Halsrecken, Maurice-Chevalier-Stolzieren (ohne Stock) und Augenrollen. Eigentlich ist die Show zu Ende, wenn der Leierkasten wieder dudelt. Aber erst danach folgt das Happy End: die Hochzeit von Frantz und Swanilda inmitten eines aufwändigen Defilées aller Mitwirkenden.

Das Publikum ist aufgefordert, ihnen heftig zu applaudieren und rhythmisch mitzuklatschen – wie's im Showbiz nun mal zum Schluss üblich ist. Das wollte bei der Premiere nicht so recht gelingen. Nur drei Solisten hat Petits „Coppélia“. Der Puppenmacher Coppélius wurde bei der Premiere vom choreografischen Assistenten, einem Altmeister der Truppe Petits, Luigi Bonino, mit pantomimischer Eleganz gegeben – elegant vor allem sein Walzer mit der leblosen Puppe im Arm. In den weiteren Vorstellungen übernimmt Cleiton Diomkinas die Rolle. Eine Freude ist das Liebespaar Swanilda-Frantz, Yoo-Jin Jang und Wataru Shimizu – ein Paar mit ähnlicher Karriere bisher im Aalto-Ballett und ein Paar mit Zukunft! Die Koreanerin Yoo-Jin Jang kam 2003 als Praktikantin in die Kompanie und hat mit ihrer grandiosen Technik und anrührenden Darstellung der Frau in Johan Ingers „Home & Home“ als Solistin überzeugt. Ganz anders hier: spritzig, witzig, lebendig tanzt sie Swanilda und narrt gewitzt in Coppélias Kleidern den Puppenmacher. Der junge, temperamentvolle Japaner Wataru Shimizu ist in der ersten Spielzeit als Gruppentänzer in Essen engagiert, hat aber schon mehrfach in kleineren Partien durch seine bemerkenswerte Technik und Ausstrahlung auf sich aufmerksam gemacht – eine große Hoffnung!

Nächste Vorstellungen: 27. und 30. Juni

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