Tanzmarathon auf künstlerischem Schlachtfeld

Ein Abend (zum Abschied) für Youri Vàmos

Düsseldorf, 02/06/2009

„Hier – auf der Bühne – ist mein Schlachtfeld. Hier findet der ständige Kampf aller Tänzer gegen Verletzungen an Leib und Seele statt. Hier erleben wir täglich unser Austerlitz oder Waterloo“. Fünfzig Jahre hat der Deutsch-Ungar sich in ganz Europa und darüber hinaus auf diesem Schlachtfeld getummelt – als Startänzer der Budapester und Münchner Staatsopern, als Chefchoreograf und Ballettdirektor in Dortmund, Bonn, Basel und der Deutschen Oper am Rhein. Nach 13 Jahren in Düsseldorf/Duisburg tritt er nun ab und legt eine Pause ein.

„Ein Abend für Youri Vàmos“ nannte sich dezent die weit über vierstündige Gala im restlos ausverkauften Düsseldorfer Opernhaus. Von Verabschiedung sollte nicht die Rede sein. Denn der Ungar hasst Abschiede. Der „Ausstand“ nahm dank der witzig-schwungvollen Moderation von Ballettmanager Oliver Königsfeld und erst recht ab Vàmos' launigem Auftritt am Ende des ersten von drei Teilen das Flair eines gigantischen Familienfestes an, dessen Bühnenprogramm gegen Mitternacht mit einer gut viertelstündigen Jubelorgie für den besten lebenden Ballett-Geschichtenerzähler, sein großes Ensemble und den Mitarbeiterstab endete. Bei Altbier und Laugenbretzeln klang die Fete im ganzen Haus aus.

Sechs ehemalige Vàmos-Tänzer ehrten ihn mit eigenen Choreografien: Ralf Rossa, seit über zehn Jahren Ballettdirektor in Halle/Saale, wartete mit einem temperamentvollen Pas de deux aus seinem Mozart-Ballett „Amadeus“ auf, den Ludivine Revazov-Dutriez und Michal Sedlacek mit Commedia-dell'Arte-Keckheit tanzten. Anna Vita, Würzburger Ballettleiterin, präsentierte den 2. Satz aus Schuberts Quartett „Der Tod und das Mädchen“ als sehr einfühlsamen Pas de deux für die zarte Caroline Matthiessen und den markigen Ivan Alboresi. Klassisch-romantisch kam Marc Ribaud, neuer Direktor des Königlich Schwedischen Balletts Stockholm, mit dem Pas de deux aus „Passion“ daher, sehr elegant getanzt von Anna Valev und Nikolaus Fotiadis. Das Paar Sanem Ergüler und Yusuf Bahri Gürcan von der Türkischen Staatsoper Ankara beeindruckte mit einem Duett aus „This is your Life“ der international frei arbeitenden Young Soon Hue, das auch im Repertoire des Essener Aalto-Ballett-Theaters ist.

Besondere Spannung vermittelten zwei Uraufführungen eigens für diesen Anlass: Eva Zamazalovas kleine Liebesgeschichte „Before you leave“ mit den Rheinopern-Solisten Miho Ogimoto und Andriy Boyetskyy. Pfiffig, flapsig und tontechnisch „magisch“ ging's in Fernando Melos „Almost Home“ zu. Das Göteborger Trio Hlin Diego, Thomas Zamolo und der drahtige Choreograf selbst tanzten die Streetgang-Szene zum größten Vergnügen der Zuschauer. Vàmos' allererste eigene Choreografie „Paganini“, eine knapp halbstündige Künstler-Skizze mit Solisten seiner Rheinopern-Kompanie, zeigt schon deutlich seine eigenwillige Handschrift und sein Talent, sehr eigenständig für Männer zu choreografieren, eindrucksvoll vor allem in den Passagen mit Rodrigo Almarales und Bruno Narnhammer. Orffs unverwüstliche „Carmina Burana“ in Vàmos' Ballettversion hievten 200 Künstler in einer musikalisch grandiosen und tänzerisch kraftvollen Aufführung auf die Bühne: die Düsseldorfer Symphoniker, zwei Chöre und drei Solisten unter der Leitung von Robert Reimer begleiteten die gesamte Rheinopern-Kompanie mit Kaori Morito (Jungfrau) und Michal Matys (Junge) als herausragenden Solisten. Nun also räumt Vàmos – nach der Übernahmepremiere seines „Julien Sorel“ von Duisburg nach Düsseldorf am 11. Juni – das Feld für seinen Nachfolger Martin Schläpfer. Die Ära der reinen Klassik, mit Erich Walter nach dem Krieg begonnen, endet damit. Vàmos, seine lebenslange Partnerin Joyce Cuoco – Muse u.a. für seine Odette-Odile, Lucidor, Anastasia – und andere Mitstreiter legen eine Atempause ein. „Die Tanzwelt ist klein. Man sieht sich wieder“, tröstete er sich selbst und seine Verehrer.

www.rheinoper.de

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