Eine etwas andere „Frau ohne Schatten“

Beate Vollack als Leitmotiv in der Strauss-Oper

oe
Zürich, 16/12/2009

Ich zähle in meinem Archiv insgesamt 15 verschiedene Inszenierungen der Richard Strauss Oper „Die Frau ohne Schatten“, die ich seit 1955 in rund zwei Dutzend Vorstellungen in allen möglichen Städten gesehen habe, darunter Berlin, Wien, München, Salzburg, Köln, Stuttgart und jetzt in Zürich die grandiose Neuproduktion, dirigiert von Franz Welser-Möst, inszeniert von David Pountney im Bühnenbild von Robert Israel und den Kostümen von Marie-Jeanne Lecca, der Lichtgestaltung von Jürgen Hoffmann und der Choreinstudierung von Ernst Raffelsberger – mit den Hauptsolisten Roberto Sacca (Kaiser), Emily Magee (Kaiserin), Birgit Remmert (Amme), Michael Volle (Barak) und Janice Baird (Sein Weib). Doch nur eine einzige ist darunter, die auf dem Besetzungszettel auch eine Autorenschaft für die Choreografie ausweist: Beate Vollack, die überdies auch als Der Falke aufgelistet ist – die Rolle, die ausnahmslos in allen anderen mir bekannten Aufführungen immer nur als „Stimme des Falken“ erscheint (sie wird in Zürich von Sandra Trattnigg gesungen).

Keine Sorge: es wird auch in der Zürcher „Frau ohne Schatten“ nicht getanzt, und Vollack hat keinerlei Balletteinlage choreografiert, geht aber in ihrem feuerroten Kostüm mit dem hakenartig nach unten gebogenen Schnabel durch alle drei Akte, so dass man von ihrer Rolle als eine Art szenischem Leitmotiv zu sprechen versucht ist: quasi als Ausdruckstänzerin. Und so sehr ich ihr neulich in der Zürcher Aufführung von Rossinis „Mosè in Egitto“ die Berechtigung abgesprochen habe, das bisschen dem Chor verordnete Herumgeschwenke der Arme als Choreografie zu bezeichnen, so legitim finde ich es, ihr die choreografische Autorenschaft für ihre Auftritte in dieser Produktion zuzuerkennen.

Sie ist halb Tänzerin, halb Turnerin, indem die sie sich an den Wänden abarbeitet, von Stufe zu Stufe, Sprosse um Sprosse erklimmend – und das hat wirklich etwas vom zielgerichteten Herabstoßen aus höchster Höhe an sich. Der Falke ist hier ja der Lieblingsvogel des Kaisers, der ihn in einem jähen Eifersuchtsanfall verletzt und vertreibt, und nach dem er nun verzweifelt sucht, zumal der ihm verkündet „Die Frau wirft keinen Schatten, der Kaiser muss versteinen.“ Wie sie sich durch die drei Akte schlängelt, immer absturzgefährdet, das ist höchst spannend und in Vollacks elastisch-flexiblen Motionen immer ästhetisch berückend schön anzusehen. Sie hat sich da ja im Laufe der Jahre eine ganz eigene Karriere aufgebaut.

Ausgebildet von 1978 bis 1986 an der Staatlichen Ballettschule in Ostberlin und im Anschluss an die Komische Oper engagiert (was in etwa auf ihr strikt geheim gehaltenes Geburtsjahr schließen lässt). Im amerikanischen Ballettwettbewerb von Jackson, Mississippi, gewann sie 1994 die Silbermedaille (im gleichen Wettbewerb wurde Dietmar Seyffert, der Vater von Gregor, mit der Goldmedaille ausgezeichnet). Sie ging dann 1996 nach München, wo sie als Mat Eks Giselle Furore machte und bis 2005 bald auch andere Solorollen beim Bayerischen Staatsballett tanzte und allmählich choreografische Assistenzen in Opernproduktionen übernahm. Hier hat sie mit so renommierten Regisseuren wie Christoph Loy, David Alden, Richard Johnson und immer wieder (auch in Bregenz) mit David Pountney zusammengearbeitet und zuletzt als erstes abendfüllendes Ballett „Don Quixote“ in Breslau choreografiert: eine beachtliche Karriere, die detailliert in ihrem Internet-Auftritt dokumentiert ist. www.beate-vollack.com

 

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