Echternach in Stuttgart?

Vor der entscheidenden Sitzung des Verwaltungsrats über den Neubau der John Cranko Schule

oe
Stuttgart, 03/10/2009

Ob es stimmt, dass das luxemburgische Echternach dem Stuttgarter Oberbürgermeister, Dr. Wolfgang Schuster, demnächst die Ehrenbürgerwürde verleihen werde: ich weiß es nicht! Die Begründung immerhin klingt überzeugend: weil er offenbar das Prinzip der Echternacher Springprozession (drei Schritte vorwärts und zwei zurück) verinnerlicht hat und als erstes Stadtoberhaupt in die städtische Finanzpolitik einzuführen willens ist. Was besagt da schon der Einwand, dass die Echternächer möglicherweise den Namen ihrer Kantons- und Marktstadt mit Echterdingen (Destination des Stuttgarter Flughafens) verwechselt haben! Man erinnert sich, wie Dr. Schuster noch im April dem Intendanten und Leiter der Schule Reid Anderson den lange überfälligen Neubau der aus allen Nähten platzenden Schule zugesagt hatte, um dann Mitte September auf Grund der schwierigen Finanzlage der Stadt in einem Brief an den Ministerpräsidenten Günther Oettinger den Ausstieg aus der gemeinschaftlichen Finanzierung anzukündigen. Was wiederum den Finanzminister Willi Stächele veranlasst hatte, den Oberbürgermeister an die Einhaltung seines Versprechens zu erinnern.

Am Montag soll nun die entscheidende Sitzung des Verwaltungsrats stattfinden, auf dessen Tagesordnung außer der Bestätigung des neuen Opernintendanten und der geplanten Errichtung eines Probenzentrums der Staatstheater am Löwentor auch die Beschlussfassung über den Standort und den Neubau der Schule stehen. Sie erscheint umso dringlicher, da Stuttgart im scharfen Wettbewerb mit anderen Städten steht, zum Beispiel mit Berlin, wo gerade das Richtfest des Erweiterungsbaus der dortigen Staatlichen Ballettschule gefeiert wird (nachdem in Hamburg, München und Dresden bereits neue Schulen ihren Betrieb aufgenommen haben). Jüngstes Beispiel in dieser internationalen Konkurrenz ist Toronto, wo die Schule und die Kompanie des National Ballet of Canada ihr luxuriöses Domizil im Walter Carson Centre am Lake Ontario bezogen haben – ein Komplex, der den Namen des kanadischen Multimillionärs und vielfachen Förderers der Künste trägt, der den Bau entscheidend mitfinanziert hat.

Nun wird sich auch der kühnste Träumer nicht den Bau eines vergleichbaren Zentrums am Ufer des Neckar vorstellen können. Gleichwohl regt der Appell des Stuttgarter Oberbürgermeisters zur Kostenbeteiligung von privaten Sponsoren dazu an, sich einmal in Toronto nach den Modalitäten zu erkundigen, die der Planung vorausgingen – zumal da ja Toronto als Partnerstadt Stuttgarts und früherer Arbeitgeber des heutigen Stuttgarter Ballettintendanten über enge Beziehungen zur baden-württembergischen Kapitale verfügt. Kommt hinzu, dass der hier ansässige Erbe John Crankos in den über fünfunddreißig Jahren, die seit dem Tode Crankos vergangen sind, durch die nach wie vor reichlich aus der ganzen Welt strömenden Tantiemen für die Aufführungsrechte der Cranko-Ballette ein Kapital angesammelt haben dürfte, das zumindest eine Beteiligung an den Baukosten nahe legt. Vielleicht scheint ja nun endlich der Zeitpunkt für die lange geforderte Gründung einer Cranko-Stiftung gekommen. Damit dann 2011 zum fünfzigjährigen Jubiläum des Stuttgarter Balletts das Richtfest für die neue Cranko-Schule gefeiert werden kann.

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