Auf neuen Wegen den Geschmack des Publikums stimulieren

Zwei Spielzeitbücher setzten einen neuen Standard

oe
Stuttgart, 23/10/2009

Kompanien, die etwas auf sich halten, haben sich auch in den vergangenen Jahren schon angestrengt, ihre Offerten attraktiv zu verkaufen: Hamburg jeweils am Ende der Saison als Bilanz der zurückliegenden Spielzeit, Stuttgart mit dem „Ballett Annual“ – inzwischen reichlich verspätet – im Zweijahres-Rhythmus, München in unregelmäßigen Abständen, zuletzt als „Zeitsprünge“, Berlin in glanzkaschierten Fotobänden. Doch jetzt hat es zwei Veröffentlichungen gegeben, die eine neue Qualitätsstufe signalisieren: Düsseldorf und Dresden.

Die rheinische Metropole hat sich zu Beginn dessen, was man wohl eines Tages die „Schläpfer-Ära“ nennen wird, ein total neues Outfit zugelegt. Das beginnt mit dem Kompanietitel als „Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg“ mit speziell entworfenem Logo, das wie ein arabisches Schriftzeichen wirkt, der große Kreis offenbar als O stellvertretend für das Opernhaus, die Wellenlinie darunter für den Rhein (noch besser hätte ich es gefunden, wenn das O sich in die Welle ergossen hätte). Das auch in den Programmheften dominierende Blau sodann wohl auf die Wasser des Rheins bezogen („Am schönen blauen Rhein“ – auch wenn der schon längst nicht mehr so blau einher fließt wie weiland die Donau). Auch die Drucktype macht einen todschick modernen Eindruck: ein Kompliment an Markwald & Neusitzer, die für die Gestaltung verantwortlich zeichnen sowie das Kommunikationsdesign von Lithographie und Druck.

Auch die Porträtaufnahmen, die zu den biografischen Texten über die Choreografen, die Mitglieder des künstlerischen Stabs und der Verwaltung sowie die 47 Tänzer der Kompanie gestellt sind, sind beste Weigelt-Klasse, und man versteht, wie glücklich Deutschlands bester Tanzfotograf Gert Weigelt ist, endlich in einem ihm angemessenen grafischen Environment angekommen zu sein – jenseits allen Nuditäten-Chichis, wie es für die Berliner Malakhov-Publikationen charakteristisch ist. Das ist von höchstem grafischen Niveau – ganz dem Anspruch der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen entsprechend (auf gleichem Niveau wie die Van Manen/Dekker-Ballette). Umso unverständlicher die Geschmacksentgleisungen, die sich Schläpfer mit der Akzeptanz der Entwürfe seiner aus Mainz übernommenen Kostümdesigner leistet.

Ganz anders das Kompaniebuch des Dresdner Semperoper Balletts für die Spielzeit 2009/2010, das im Vergleich zu Düsseldorf eher konservativ wirkt – sowohl im grafischen Layout wie in der Präsentation der Fotos. Auch hier geht es um eine Vorstellung des Spielplans, der künstlerischen Leiter und Mitarbeiter sowie der Solisten und der Corps-Mitglieder. Doch wenn schon konservativ, so würde ich hier eher von einem Wertekonservativismus sprechen, ganz wie es der Tradition des Hauses entspricht. Den reflektiert auch der Zuschnitt des Repertoires mit den Klassikern von „Giselle“ via den Tschaikowskys bis zu „La Bayadère“, die man auf dem Düsseldorf-Duisburger Spielplan vergeblich sucht. Vielleicht sind ja die vielen Szenenbilder etwas reichlich bunt geraten, aber dann kann man sich natürlich auch schwer vorstellen, dass sich das Haus einen fotografischen Vordenker wie Gert Weigelt leisten würde. Vielleicht kann man es so sagen: das Dresdner Kompaniebuch wendet sich an sein ganz der Tradition des Hauses verpflichtetes Publikum, während das Düsseldorfer Kompaniebuch sich um das Publikum bemüht, das es sich in den kommenden Jahren heranzuziehen bemüht.

Hauptsache ist natürlich, dass die Ankündigung dessen, was man vorhat, den Leuten Appetit macht, ins Ballett zu gehen. Und das versuchen die beiden Kompanien auf zwar verschiedene, aber auf das gleiche Ziel gerichtete Weise. So oder so zur Nachahmung empfohlen!

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