Wie vom Strahl Gottes getroffen

Mauro Bigonzetti zeigt an der Staatsoper „Caravaggio“

Berlin, 18/12/2008

Warum nicht gleich „Le martyre de Saint-Sébastien“? Das Debussy-Ballett, zuletzt von Uwe Scholz für die Mailänder Scala choreografiert, hätte Vladimir Malakhov bei der Premiere keine Buhrufe eingetragen. Sie waren auch bei „Caravaggio“ nicht wirklich gerechtfertigt. Doch während hier die Geschichte des italienischen Malers ein Vorwand zu sein scheint, den menschlichen, das heißt in erster Linie: den männlichen Körper zu „heiligen“, hätte der Intendant des Staatsballetts Berlin als heiliger Sebastian tatsächlich eine gute Gelegenheit gehabt, in Schönheit zu ersterben.

So jedoch taucht er aus der Dunkelheit der Bühne gleich zu Beginn als eben jener Michelangelo Merisi auf, der unter dem Namen Caravaggio Ende des 16. Jahrhunderts als ein Meister des Chiaroscuro in die Kunstgeschichte eingegangen ist. Das Lichtdesign jedenfalls, das Carlo Cerri entwirft, erinnert an die Helldunkelmalerei - und wie vom Strahl Gottes getroffen, leuchtet der nahezu nackte Körper Malakhovs in geradezu narzisstischer Schönheit auf. Keine Spur von Alterung. Nichts da von dem „schmutzigen“ Realismus des italienischen Frühbarocks, dem der Draufgänger in seinen Bildern auf revolutionäre Art und Weise huldigt. Umringt von einer Schar stummer Bewunderer, gefällt dieser Caravaggio vor allem sich selbst.

Das muss nicht unbedingt etwas Schlechtes bedeuten, ist auf die Dauer allerdings ermüdend - zumal Mauro Bigonzetti als Choreograf des zweiaktigen Balletts auch bei der Charakterisierung des übrigen Personals nichts Besseres eingefallen ist als eine möglichst attraktive Ausstellung seiner Interpreten. Michael Banzhaf, Elisa Carrillo Cabrera, Beatrice Knop, Shoko Nakamura und eine höchst verführerische Polina Semionova, die als Madonna, Malermuse oder Mörderin alle anderen in den Schatten stellt: Sie figurieren allenfalls als Vorwand eines Stücks, das seinen „Inhalt“ im Programmheft zwar behauptet, auf der Bühne aber jeden Beweis dafür schuldig bleibt. Das ist für ein Ballett, das Caravaggio wie in einem goldenen Rahmen imaginieren will, herzlich wenig. So klischeebeladen und kitschig könnte das abendfüllende Ballett ohne weiteres auch als Konterfei von Jeff Koons oder Pierre et Gilles dienen.

Auch das Monteverdi-Arrangement Bruno Morettis macht die Sache nicht unbedingt besser. Der langjährige Wegbegleiter Bigonzettis hat Messen, Madrigale und Musikfragmente aus dem „Orfeo“ so opulent sinfonisch aufbereitet, dass sie auch als Soundtrack eines Sandalenfilms taugen könnten. Ein Bezug zur Biografie Caravaggios ist jedenfalls nicht erkennbar, und wie schon bei „I Fratelli“ in Stuttgart bleibt die Komposition konturlos. Bei Schostakowitsch war Bigonzetti besser beraten: „Kazimirs Colours“, uraufgeführt vom Stuttgarter Ballett, ist verglichen mit „Caravaggio“ geradezu ein Geniestreich.

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