„I am quite speedy in life“

Wayne McGregor zum Gastspiel von „Entity“ im Tanzhaus NRW

Düsseldorf, 20/08/2008

Ob als Hauschoreograf des Royal Ballet oder mit seiner eigenen Kompanie Random Dance: Wayne McGregor gilt als einer der innovativsten, wichtigsten britischen Choreografen, als „Star des intelligenten Tanzes“. Vor seinem Gastspiel im Tanzhaus NRW sprach Melanie Suchy mit ihm über sein neues Stück „Entity“.

Redaktion: Ihr Interesse an Naturwissenschaften ist bekannt. Was wiederum macht Ihr Werk für Wissenschaftler interessant?

Wayne McGregor: Die Neugier des Fragens, die Sie und die wir ebenso haben und um die es in diesem Stück geht.

Redaktion: Sein Titel „Entity“ klingt nach etwas Definiertem, Bestimmten, dem Gegenteil von wolkiger Unendlichkeit.

Wayne McGregor: Es ist spezifisch, ein Ding, das seine eigene Syntax hat. Seine eigenen Regeln. Ich habe versucht, in dem Stück etwas zu machen, das etwas Anderes ist, anders als Dinge, die wir als bekannt erkennen, aber das seine eigene inhärente Logik hat.

Redaktion: Würden Sie die Art der Bewegung, die Sie entwickelt haben, einen Stil nennen?

Wayne McGregor: Vermutlich ja. Man entwickelt eine Art Vokabular, um damit auf verschiedene Weisen über Dinge zu kommunizieren. Von Natur aus habe ich sehr lange Körperglieder, und ich war immer fasziniert von Fehlfunktionen, und wie man den Körper in kleinere Teile aufbrechen kann und sie alle unabhängig voneinander gleichzeitig und willkürlich (randomly) bewegen kann. Das ergibt dann diese merkwürdige komplexe Koordination, die mich interessiert.

Redaktion: Was tun Sie dann mit kurzen Tänzern?

Wayne McGregor: Kurze Tänzer müssen sich vorstellen, sie seien länger. Es geht immer um diese Fähigkeit, die intellektuelle Neugier, wie jemand diese Information dann auf den physischen Körper und seine Eigenheiten anwendet. Aber die Arbeit sieht schon interessanter aus mit Tänzern, bei denen der Verfall, die Abnutzung der Linien (deterioration) wirklich erkennbar ist.

Redaktion: Sie fordern Ihre Tänzer mit einer besonderen Art von Aufgaben, „tasks“ heraus.

Wayne McGregor: Ja, das tue ich ständig. Da ist jedes Stück auch anders, mit ganz verschiedenen Strategien oder Aufgabenstellungen. Wir arbeiten viel mit dem, was ich Störungen (perturbations) nenne: Probleme, die der Körper lösen muss. Die Idee der Doppelaufgabe, etwa wenn man sich auf eine Sache konzentriert und währenddessen eine andere tut. Zum Beispiel: Wir holen mit geschlossenen Augen eine Tasse und durchqueren dafür den Raum – das ist die Intention -, müssen dabei aber gleichzeitig auch noch eine Tanzphrase erfinden. Es ist spannend, wie man das Unterbewusste oder die Instinkte anzapfen kann, weil man gerade mit etwas anderem beschäftig ist. Dieses Unbewusste oder Unterbewusste muss sich aufschließen, damit man zwei Dinge gleichzeitig tun kann.

Redaktion: Warum diese auffällige Schnelligkeit in Ihren Stücken?

Wayne McGregor: Ich glaube, jeder Mensch hat eine persönliche Bewegungsweise, wie eine Unterschrift. I think I am quite speedy in life. Ich entscheide schnell, ich tue viele Dinge gleichzeitig, bin sehr aktiv. Diese Art von Energie dringt von selbst in die Arbeit ein. Außerdem wirken jene komplexen Koordinationen bei hoher Geschwindigkeit auf interessante Weise unnatürlich, fast als könnten sie gar nicht choreographiert sein. Was sie aber sind.
Das fordert die Tänzer, aber auch die Zuschauer heraus. Denn die sind nicht wirklich geübt darin, viel Information in hohem Tempo aufzunehmen und dabei noch Details zu erkennen. Beim Ballett etwa sieht man eine Reihe von Schlüsselmomenten, die man interpretiert, also im Gehirn in Zusammenhang bringt. Die Erfahrung basiert auf Schnappschüssen. Wohingegen wir immerzu mit Übergängen (transitions) arbeiten. Das ist viel schwieriger mit dem Blick zu greifen und braucht besondere Aufmerksamkeit.

Redaktion: Als Achtjähriger begeisterten Sie sich für John Travoltas Saturday Night Fever. So begann für Sie der Tanz. Was würde Sie heute als Junge zum Tanzen hinziehen?

Wayne McGregor: Die Macht des Fernsehens ist immer noch riesig. Filme wie „Billy Elliott“ oder einige dieser Fernsehshows wie „You Can Dance“ oder „Strictly Come Dancing“, wo Nicht-Profis tanzen. Eigentlich ist es egal, welcher Art von Tanz Kinder ausgesetzt werden. Aber, wo doch heutzutage so viel über education work gesprochen wird: Sie müssen auch die Möglichkeit haben am eigenen Leib zu erfahren, wie es sich anfühlt, zu tanzen. Nicht Techniken, sondern einfach Drehen und Springen. Wirklich zu tanzen. When you have that motivation and that experience of feeling what it’s like, I think you get really hooked.

Random Dance gastiert mit Wayne McGregors „Entity“ am 22. und 23. August im Tanzhaus NRW Links: www.tanzhaus-nrw.de www.randomdance.org

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