Silberhochzeit für den Deutschen Tanzpreis

Zum 25. Mal: Der Essener Tänzertreff

oe
Essen, 01/03/2008

Sie ist inzwischen zum alljährlichen Familientreffen der deutschen Tanzwelt und ihrer Verwandten aus den Nachbarländern geworden: die Verleihung des Deutschen Tanzpreises in Essen. Und doch war es diesmal ein bisschen anders als gewohnt. Einmal weil solch ein festlicher Anlass für die Stadt inzwischen als Probe für das 2010 bestehenden Top Event der Nominierung Essens zur Kulturhauptstadt Europas fungiert. Und so wäre dies also 2008 die Hauptprobe gewesen, die prima geklappt hat. Anders aber auch, weil es sich diesmal um die 25. Wiederkehr der Festivität handelte – also gewissermaßen ihre Silberhochzeit. Und Ulrich Roehm nebst Gattin strahlten denn auch wie die Eltern eines besonders wohl geratenen Sprösslings.

Wer hätte das aber auch gedacht bei den ersten Veranstaltungen in der alten, etwas muffigen Stadthalle! Und da, wo man sich damals für die jährliche Feier traf, prangt heute die prächtige neue Philharmonie, wo hinterher erstmals getafelt wurde. Wie gesagt: wie bei einer Silberhochzeitsfeier. Woran zu erinnern denn auch kein Festredner versäumte – weder Ulrich Roehm bei der Begrüßung der Gäste, noch der stolze Oberbürgermeister und auch nicht der Gast aus Berlin, Norbert Lammert, „unser Mann“ aus dem Bundestag. Und natürlich auch nicht Marcia Haydée in ihrer mit lauter Anekdoten reich gespickten Laudatio auf John Neumeier, den (Wiederholungs-)Preisträger dieses Jubiläumsanlasses, der in seiner Danksagung nochmals die Stationen seiner Häutung zum Amerika-Deutschland-Stuttgart-Frankfurt-Hamburg Ballett-Prinzipal rekapitulierte – ganz hansestädtischer Weltmann.

Wer hätte aber auch gedacht, dass wir einmal einen Ballettmann ehren könnten, der, zu einem Hamburger geworden, in der großen Traditionslinie der Noverre, Bournonville, Petipa, Balanchine steht! Ein Festakt also, der diesmal lauter Gustostückerl aus dem Katalog der inzwischen 137 Neumeier-Opera präsentierte. Gleich zu Beginn sorgten die Junioren der Hamburger Ballettschule für Hochstimmung – besonders mit ihrer fabelhaften Boy-Formation in „That‘s What‘s the Matter“, in der es zuging wie in einem Wahlkampfspot für Hillary plus Obama. Und so ging‘s dann weiter, Schlag auf Schlag, mit den Hamburg-Stars Silvia Azzoni und Alexandre Riabko in „Shall we Dance“, in dem sie uns das tänzerische Gershwin-Mittelmaß des Abends zuvor total vergessen ließen. Es folgten die beiden Jung-Sympathicos aus Kopenhagen, Silja Schandorff und Sebastian Kloborg, die uns ein modernes Andersen-Märchen vortanzten.

Anschließend demonstrierten Sue Jin Kang und Marijn Rademaker die Hohe Stuttgarter „Kameliendamen“-Schule. Weiter ging‘s nach der Pause mit den Gästen aus Moskau, Valeria Mukhanova und Dmitry Khamzin, die ihrer Herkunftsbezeichnung aus dem Stanislawsky und Nemirowitsch-Dantschenko Theater alle gebührende Tschechow-Ehre mit Neumeiers „Die Möwe“ erwiesen. Aus der Münchner Neumeier-Dependance kamen Ivy Amista und Lukáš Slavický mit einer Kostprobe aus „Cinderella“ und anschließend die beiden Etoiles aus Paris, Laëtitia Pujol und Manuel Legris, die uns den Haute-Couture-Chique der Neumeierschen „Sylvia“ vorführten. Für Neumeier at his sexiest schmissen sich sodann Katja Wünsche und Jason Reilly passioniert in ihr „Endstation“-Bett aus Stuttgart/Louisiana. Und als Botschafter des Neumeierschen Nobelklassizismus verströmten sich leidenschaftlich aus München Lucia Lacarra und Roberto Bolle aus Mailand (nochmals „Kameliendame“).

Zum Schluss wurde es dann nochmals ganz Hamburgisch mit der „Kleinen Meerjungfrau“, als die sich Silvia Azzoni als eine wiedererstandene junge Martha Graham outete, gepartnert von Carsten Jung mit seinem hanseatischen Kapitäns-Charme. Wonach wir auch schon (nach über vier Stunden!) beim zugabenfreien Definitiv-Finale angelangt waren, mit Riabko, diesmal mit Peter Dingle (noch so ein Kanadier!) in Neumeiers „Opus 100 – for Maurice“ (oder „Neumeiers Fancy Free von der Reeperbahn“). Die Essener Goldene Tanzpreis-Hochzeit werde ich wohl nicht mehr erleben, das walte Gott (zumal da ich keinerlei Ambitionen auf eine Eintragung ins „Guinness Buch der Rekorde“ habe)! Doch auf die Generalprobe im nächsten Jahr für „Essen 2010“ freue ich mich schon heute.

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