Ritterschlag für Dortmunds Ballett

Tänzer begeistern mit Balanchine und Bigonzetti

Dortmund, 25/02/2008

Vier große Namen stehen auf dem Programm des neuen Dortmunder Ballettabends „stars and steps“: Gershwin und Balanchine, Rossini und Bigonzetti. Am Ende des überaus kurzweiligen Abends mit zwei – nur auf den ersten Blick – extrem unterschiedlichen Balletten hechten die Tänzer in den Orchestergraben. Die Zuschauer springen von den Sitzen. Die fast tumultartigen Ovationen sind Signal genug, welche Art von Tanz deutsche Theaterabonnenten heute sehen möchten. Die Intelligenz, mit der Dortmunds Ballettchef Xin Peng Wang sein Programm gestaltet, ist beeindruckend. Wenn eine Ballett-Kompanie eine Choreografie von George Balanchine tanzen darf, ist das wie ein Ritterschlag. Die Tücke der technischen Ansprüche: federleicht und wie nebenbei bei absoluter Präzision und Virtuosität.

Wang kämpfte drei Jahre lang mit Balanchines Nachlassverwaltern um die Genehmigung einer Choreografie. Endlich hat man ihm ein Schätzchen von 1970 zugestanden, das unterhaltsame „Who Cares?“ auf ein Arrangement von Gershwin-Melodien, das in seiner „Nummern-Folge“ dem Divertissement eines klassischen Balletts ähnelt, aber sehr pfiffig mit Musical- und Stepptanz-Elementen amerikanischer Revuen durchsetzt ist. Außerdem läßt es sich hervorragend zerteilen. So ist in Dortmund eine sehr stimmige „kleine Version“ für 10-köpfiges Corps de ballet und vier Solisten zu sehen. Da punkten vor allem Mark Radjapov im Fred-Astaire-Look, Prima-Ballerina Monica Fortescu-Uta als wunderbar selbstironisches „Glamour-Girl“ und Jung-Star Roberta Borges Viera als freches „Jumping Girl“. Bühnenausstatter Dorin Gal empfindet mit der gemalten fahl-grünlichen New Yorker Wolkenkratzerkulisse, die in eine überdimensionale Klaviertastatur mündet, und den bonbonfarbenen Glockenröckchen der Ballerinen das perfekte Flair leichter Patina nach, die die herrlich scheppernde „antike“ Musikeinspielung unterstreicht.

Einen vorwiegend tragisch-ernsten Rossini und einen ganz anderen Tanzstil als Balanchine zeigt Italiens derzeitiger Top-Choreograf Mauro Bigonzetti in „Rossini Cards“. Extreme Körper-“Koloraturen“ sind angesagt. Komik bis zur Groteske, makabrer Masochismus, Erotik und zirzensische Luftnummern machen Staunen und Spaß. Atemlos lauscht das Ensemble zu Beginn – barfuß und allesamt in schlabberigen schwarzen Anzügen - an der Rampe den Klavierklängen aus Rossinis „Stabat Mater“. Einer beschließt, sich nackt in den Abgrund zu stürzen. Alle anderen kämpfen sich tapfer durch ein musikalisch vertracktes Ensemble aus dem „Barbier von Sevilla“, die „Tell“-Ouvertüre und Ausschnitte aus Rossinis Konzertstücken. Zwei Duette, grandios gemeistert von Mark Radjapov und Alicia Beck bzw. Risa Tateishi und Rosa Ana Chancza, zeigen mit Zeitlupengenauigkeit, wie schwierig „Kunstausübung“ wirklich ist. Am Ende, als alle sich „vom Acker machen“, bleibt der nackte „Feigling“ vom Vorspiel doch auf der Bühne. Was für ein schönes künstlerisches Plädoyer fürs „Weitermachen“. Dortmunds Ballett jedenfalls ist auf dem richtigen Weg in der jetzigen Situation der „kleinsten“, am meisten bedrohten Stadttheater-Sparte.


Nächste Vorstellungen: 29. 02., 05.+ 29.03.08 – Karten: 0231-5027222.

www.theaterdo.de

Kommentare

Noch keine Beiträge