I did it my way – Die Tanzcompagnie Oldenburg hinterlässt Spuren

Jan Pusch choreografiert „Final Fiction“

Oldenburg, 14/12/2008

Kein Abschied ohne Frank Sinatras „I did it my way“. Sei es der Schulabschluss, die beendete Universitätslaufbahn oder das Ende im Berufsleben. Selbst Gerhard Schröder wünschte sich zu seiner Verabschiedung aus dem Kanzleramt dieses Lied. Passenderweise beginnt auch die neue Produktion „Final Fiction“ von Jan Pusch mit einer leicht verfremdeten Version von Frank Sinatra. Ein einzelner Tänzer tritt hervor. Sichtlich gerührt schüttelt er Hände, legt die rechte Hand auf die Brust verbeugt sich. Plötzlich erlischt das Licht, die Musik stoppt – der Moment ist vorüber und der Tänzer verschwunden. Abschied ist das Thema des Abends. Mehr noch die Frage: Was passiert danach? Welche Spuren hinterlassen wir? Welche Gegenstände?

Bei Jan Pusch sind die Gegenstände in erster Linie sechs große Tische, die er auf erstaunlich vielfältige Art und Weise in den Tanz integriert und für sein Thema nutzbar macht. In atemberaubendem Tempo rutschen die acht Männer und Frauen nur auf dem Hintern über Kanten, springen in waghalsigen Aktionen über sie hinweg, winden sich unter ihnen durch, tanzen auf oder zwischen ihnen. Angetrieben werden sie durch die Beats von Beat Halberschmidt, die keine Sekunde Stillstand dulden. Knapp 70 Minuten wirbeln vier Tänzerinnen und vier Tänzer energiegeladen über die Bühne, werfen sich hoch in die Luft und rollen über den Boden. Alle tragen wild gemusterte Hemden, die an die 60er Jahre erinnern. Für die Frauen gibt es dazu knallig bunte Faltenröcke mit farblich passenden Kniestrümpfen. So klettern sie auf den Tischen herum, schmiegen sich zärtlich an die Tischplatte oder verwandeln sie nach Bedarf in Essplätze, Totenbaren oder Rednerpulte.

Gesprochen wird allerdings nur selten in diesem Stück, der Tanz als Ausdrucksmittel steht im Vordergrund. Sprache kommt nur dann zum Einsatz, wenn sie den Tanz oder die Thematik des Abends verstärken kann. So wird beispielsweise der Abschied durch den Tod ironisch-witzig gebrochen, indem der Pfarrer von der Kanzel rührende letzte Worte für den Tänzer Dario Rodriguez findet, dabei jedoch jedes Mal den Namen falsch ausspricht. Der aufgebahrte Tänzer beschwert sich lauthals fluchen darüber und ruft ein erstaunt-wütendes „Wie bitte?“ aus, als man erzählt wie glücklich er doch mit seiner Ehefrau war.

Die Angst vor dem Vergessen-Werden. Die Hoffnung bei den Hinterbliebenen in Erinnerung zu bleiben und seine Spuren zu hinterlassen. Jan Pusch, nun schon in der zweiten Spielzeit „Choreographer in Residence“ bei der Tanzcompagnie Oldenburg, entwickelt in „Final Fiction“ aus kleinen Ideen berührende Tanzszenen. Ganz wunderbar ist die Frühstückszene eines Paares, das mit Zeitung und Kaffee am Tisch sitzt. Eine für die beiden scheinbar nicht (mehr) sichtbare Person versucht am Geschehen teilzunehmen. Sie greift nach den Gegenständen auf dem Tisch oder versucht die Menschen zu berühren. Doch wie durch Zufall entgleiten ihr die Gegenstände, werden genau in diesem Moment „aus Versehen“ vom Tisch gestoßen, weitergereicht oder weggeschoben, so dass die Tänzerin (besonders ausdrucksstark: Vivienne Hötger) immer ins Leere greift. Im Leben des glücklichen Paares spielt sie keine Rolle mehr und scheint schon vergessen zu sein.

„I will survive.“ Ich werde überleben. Als ob die Darsteller gegen das Vergessen anschreien könnten, grölen sie laut zur Partyversion von Gloria Gaynor. Um den letzten Tisch im Raum herum feiern sie eine Party. Mit einer Polaroid-Kamera schießen sie Schnappschüsse voneinander bis einer nach dem anderen die Szene verlässt. Am Ende liegen nur noch acht Bilder auf dem Tisch und man hört ein leises Summen. Ein starkes Schlussbild und ein Abend, den man sicher nicht so schnell vergessen wird.
 

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