Englands berühmte Rambert Dance Company gastiert in Köln

Rasantes Tempo und halsbrecherische Eskapaden

Köln, 24/07/2008

Die halsbrecherischen zirzensischen Eskapaden der Rambert-Tänzer aus London sind jetzt beim „Kölner Sommerfestival“ in der Philharmonie zu bestaunen. Das dreiteilige Programm (mit zwei nahezu halbstündigen Pausen zwischen den ungefähr ebenso langen Choreografien) beginnt fast so unterhaltsam wie eine „Holiday on Ice“-Show, aber überzeugt dann doch durch thematischen Tiefgang und technische Qualität. „Constant Speed“ vom derzeitigen Rambert-Direktor Mark Baldwin als peinlich poppiger Auftakt ist die misslungene Auftragsarbeit zum Einstein-Jahr 2005: Zu einer schmalzigen Léhar-Collage aus der Wiener-Walzer-Seligkeitszeit (in einer klanglich miserablen Einspielung) ist der Spagat zwischen (Tanz-)Kunst und Wissenschaft via Einsteins Theorie der Brown'schen Bewegung der Moleküle eine thematisch naive, schlechte Choreografie – eine vergebene Chance.

Bei Christopher Bruces „Swansong“ für drei Männer dagegen stockt immer wieder der Atem. Das „Verhör“ eines vermeintlichen Delinquenten durch zwei brutale, zynische Polizisten findet in kurzen Staccato-Steptanz-Sequenzen statt. Folter und Demütigung visualisiert der Choreograf in rasanten Akrobatiknummern, die er durch Requisiten aus der Zirkus- und Showszene akzentuiert: Schlagstöcke im Design des kokett lancierten Spazierstocks mit Goldknauf eines Fred Astaire oder Maurice Chevalier - eine rote Pappnase, um den Gefangenen lächerlich zu machen - ein harter Holzstuhl mit Sprossenlehne als Fessel, Waffe und gelegentlich auch Schutzschild. Dazu hat der Komponist Philip Chambon einen synthetischen Soundtrack kreiert, der unter die Haut geht. Mit diesem Tanzstück von 1987, das im vorigen Jahr für die internationalen Tourneen mit drei erstklassigen jungen Solisten neu einstudiert wurde, erweist sich Englands traditionsreichstes Ballett für zeitgenössischen Tanz als völlig fit für die erste Liga des aktuellen europäischen Bühnentanzes.

Entertainment pur bietet die jüngste Rambert-Produktion mit ihrer Deutschen Erstaufführung von „Scribblings“ des US-Tanzmachers Doug Varone. Grandiose Miniaturen für heutige Tänzer zu John Adams' „Chamber Symphony“ sind das. Wie Gummipuppen verbiegen sich und flitzen die Tänzer quasi im Zeitraffertempo durch den Bühnenraum. Köstlich mokant ist dieser „Rausschmeißer“ mit Anleihen von Bildern aus der Disney-Comic-Traumfabrik bis zu Streetdance-Zitaten in heutigen Alltags-Outfits wie Sommerkleidchen und bunten Tops, T-shirts und Polohemden zu Dreiviertelhosen und Jeans. Diese phänomenalen Rambert-Tänzer begeistern allemal mit ihrer technischen Virtuosität.

 

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