Alles im Fluss

Wunderbares Ensemble-Tanztheater: Das movingtheatre.de reist nach „Outopia“

Köln, 13/10/2008

Viele Orte unseres Lebens sind uns symbolische Orte. Sie stehen für Erfahrungen, gute oder schlechte, und zahllose stehen für unsere Hoffnungen. Das Ensemble movingtheatre.de mit seinen Choreografen Massimo Gerardi und Emanuele Soavi macht sich mit fünf weiteren Tänzern und dem Schauspieler Achim Conrad auf nach „Outopia“, solche Orte zu finden. Premiere war Anfang Oktober im Heizkraftwerk am Zugweg in Köln.

Bis hin zu Odysseus' Irrfahrten wird der Bogen geschlagen, um das Zeitlose und Kulturübergreifende dieser Suche zu zeigen. Dazu hat das movingtheatre schon in früheren Stücken eine eigene Form des Tanztheaters entwickelt, bei der die Tänzer nur das perfekt und reichlich tun, was sie am besten können: tanzen. Den Sprachteil gestaltet vorwiegend der versierte, sprachgewaltige Schauspieler Achim Conrad, der Odysseus' Anliegen zeitgemäß adaptiert. Die Suche nach solchen Orten aber bliebe banal, würde sie nicht für mehr stehen: hier für das Aufspüren individueller Schwächen und Stärken, was in der Inszenierung zu ausdrucksstarken Soli, Duos oder Trios führt.

Mit spielerischer Leichtigkeit tanzen Nao Tokuashi und Emanuele Soavi ein wunderbares Duett der Annäherung, einen oft schwebenden Tanz der Blütenblätter, die Emanuele immer wieder auf Nao regnen lässt. Die Choreografie überrascht dabei mit einer sich ständig erweiternden Tanzsprache, vom lasziven Abgleiten am Körper des anderen bis hin zu synchronen Bewegungssequenzen, die sich wie zufällig aus dem Chaos ergeben. Dass der Transfer vom inhaltlichen Anliegen zur tänzerischen Form so augenfällig, so ästhetisch und so überzeugend gelingt, liegt an einer brillant durchdachten Choreografie, die von den persönlichen Lebenswegen der Tänzer verschiedener Nationalitäten ausgeht: Nao etwa verbeugt sich ständig in übertriebener asiatischer Höflichkeit. Das gibt dem Tanz eine sehr authentische Färbung. In diesen Szenen wird perfekt mit den Eigenarten imaginierter Orte, mit erinnerten Düften oder privaten Geschichten der Tänzer gespielt.

Die Inszenierung entwickelt schnell eine fruchtbare Eigendynamik der Szenerie, die von einer ungewöhnlichen musikalischen Begleitung, der Scapha, noch verstärkt wird. Das zehn Meter lange Saiteninstrument, das mal sanft gestreichelt, mal brutal geschlagen wird (Musik: Hilke Fährmann/Jürgen Schneider), entfesselt orchestrale Gewalten. Klang und Choreografie halten den Tanz in einem ständigen Fluss, führen die Akteure immer wieder zusammen und machen „Outopia“ zu einem wunderbaren Ensemblestück.

www.movingtheatre.de

 

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