Suggestive Räume

„Windows in Faces“ - Studioproduktion von Tarek Assam in Gießen

Berlin, 13/12/2007

Videoprojektionen auf der Bühne zwingen zum Abdunkeln. Ihre Farbigkeit in Konkurrenz mit den gesättigten Farbwerten üblicher Lichtquellen im Theater - wie Scheinwerfer, Laufschrift oder Neonröhre - bleibt nebelig, milchig, Pastelltönen verhaftet. Farblich zurückzuhaltend ist „Windows in Faces“ eine gelungene Produktion für die TiL-Studiobühne des Giessener Ballettdirektors Tarek Assam (Choreografie und Konzept). Das Tanzstück lenkt das Augenmerk des Publikums subtil auf die Verbindung von Dualitäten wie farbig und unfarbig, privat und öffentlich, räumlich und flächig. Assam entwirft in einer White Box vielschichtige Raumvorstellungen. Sechs Tänzer in Schwarz, kommen und gehen, rennen und verharren. Blicke tasten durch die zwielichtige Atmosphäre, suchen das eigene Gegenüber im Videobild, wie das reale Gegenüber auf der Bühne.

Kleine Episoden, die ohne Anspruch etwas Bestimmtes erzählen zu wollen, mit Nähe und Distanz, mit Stillstand und Bewegung, mit Beschleunigung und Verlangsamung spielen. Die drei Tänzerinnen (Miranda Glikson, Antonia Hess und Carine Auberger) und die drei Tänzer (Arthur Zakirov, Eric Reisinger und Kai Guzowski) finden sich in Alltagsbegegnungen, die teils in purem Tanz münden, teils ins Surreale kippen, wenn beispielsweise Glikson aus der Rolle der Beobachterin ausbricht und ihren Partner anspringt, um ihn mit Küssen zu bedecken. In Duetten, fantasievoll komponierten Trios und differenzierten Clustern nutzen die Sechs die körperlichen, sozialen und symbolischen Dimensionen des Raumes. Schwarz vor Weiß heben sie sich deutlich vom Hintergrund ab, in blaues, grünes oder gelbes Scheinwerferlicht getaucht wirken sie doch flächig-filigran wie ein Scherenschnitt.

Im Video – per se ein flaches Bild - schieben einzelne Tänzer eine Gardine zur Seite, suggerieren Räumlichkeit, sowohl durch Ausblicke in das reale Studio, als auch durch Einblicke in die gefilmte Privatsphäre der Darsteller. Energetische Spannungsfelder und dynamische Umschwünge verbinden sich zu einem vielschichtigen, ästhetischen Gefüge. Den Eindruck eines bewegten Vexierbildes, eines changierenden Gewebes verstärkt die differenzierte Musik-Collage des Komponisten und Sounddesigners Kai Niggemann, der akustisch einen Balanceakt zwischen konkreter Musik und Klangverfremdung vollführt.

Geschmeidig wie Filmmusik ist der Soundtrack dem Tanzstück auf den Leib geschneidert, ästhetisch kompatibel unterlegt er die voyeuristische Perspektive. Ein Hochgenuss ist die mentale Leichtigkeit und körperliche Durchlässigkeit, mit der Glikson und Hess, Zakirov und Reisinger interagieren. Etwas farblos bleibt Guzowski, während Aubergers Bewegungssprache überartikuliert und eher auf eine große Bühne, denn ins Kammerformat passt. Insgesamt eine wohltemperierte, sehenswerte Produktion, die im Vertrauen auf die Qualität der Tänzerinnen und Tänzer auf überflüssige Requisiten wie Kerze, Kuschelteddy und Klebeband besser verzichtet hätte.

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