Auf der Suche nach dem Original: Petipas Piraten-Ballett

Bayerisches Staatsballett: Ivan Liska brachte „Le Corsaire“ heraus, Experten diskutieren Originalität

München, 29/01/2007

Schauplatz im zweiten Akt des nun erstmals in Deutschland inszenierten Balletts „Le Corsaire“ (1863) nach Marius Petipa, dem Meister der russischen Klassik: Grotte auf einer Pirateninsel vor der levantinischen Küste. Korsar Konrad (Lukas Slavicky) hat seine Geliebte Medora (Lisa-Maree Cullum) vorübergehend vor dem Harem des Paschas in Andrinopel bewahrt und beteuert ihr pantomimisch seine Liebe. Ein Messer würde er sich für sie ins Herz rammen. Sie hält ihn geschmeichelt davon ab und macht sich tanzend über das Draufgängertum des Piraten lustig.

Diese „Scène dansante“ zählt neben dem extravaganten „Jardin animé“ zu den eindrucksvollsten Minuten des aufwendig recherchierten, dreiaktigen Balletts. Und steht für den Entstehungsprozeß. Medoras Choreografie wird Petipa zugeschrieben, die Gestaltung des Konrad hat Ivan Liska vorgenommen. Münchens Ballettchef hat diese Spielzeit nicht nur zur Petipa-Saison mit Gastspielen des Mariinsky- und des Bolschoi-Balletts erklärt. Er hat mit dem US-Fachmann Doug Fullington auf Originalquellen des in Petersburg entstandenen Sergejew-Archivs zurückgegriffen. 1969 waren 31 Schachteln mit handschriftlich notierten Petipa-Choreografien an die Harvard-University verkauft worden. Erst seit relativ kurzer Zeit machen sich Russen wie Amerikaner daran, die Notationen zu entziffern.

Die Suche nach dem Original des „Corsaires“ erweist sich in München nun erneut als bunte Mischung. Musik u. a. von Adolphe Adam, Delibes, Pugni, Drigo unter der Leitung von Myron Romanul, ist Folie für Choreografie von Petipa, Andrianov, Tschabukiani und Liska. Gekleidet in Abenteuer-Romantik mit Happy End und orientalische Exotik (Ausstattung: Roger Kirk) begegnet man einem historisch anmutenden, stilistisch sehr unterschiedlichen Abend, der das Münchener Ballett vor den Augen angereister Fachleute aus Ost und West herausfordert. Was heißt Petipa-Original und wie nutzt man „altes“ Tanz-Material im 21. Jahrhundert zugunsten des Publikums? Das war im Rahmen eines packenden Symposiums u. a. mit Sergei Wikharev, Pavel Gershenzon und Yuri Burlaka nur eine vieler Fragen.

Liska und seine überaus qualitätvollen Tänzer, darunter auch Natalia Kalinitchenko (Gulnara), Tigran Mikayelyan (Ali) und Alen Bottaini (Birbanto), haben mit diesem „Corsaire“ erfreulich viel riskiert.


Link: www.bayerisches.staatsballett.de 
Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

 

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