Pina Bausch gastiert in Berlin

Sie beschließt mit „Rough Cut“ die Spielzeiteuropa im Haus der Berliner Festspiele

Berlin, 26/01/2007

Der Name Pina Bausch ist mit so vielen Erwartungen, Hoffnungen und Ansprüchen verbunden, dass es unmöglich ist, sie alle zu erfüllen. Die Revolution, die diese so zart und zerbrechlich wirkende Künstlerin mit dem Tanztheater Wuppertal vor vielen Jahren eingeläutet, ausgefochten und gewonnen hat, ist - genau wie ihre Person - zur Legende geworden. Die künstlerische Leiterin der Berliner Festspiele „spielzeiteuropa“, Brigitte Fürle, hat in ihrer ersten Spielzeit auf diesen sicheren Trumpf gesetzt. Die Karten waren restlos ausverkauft, und dennoch war der Applaus, den Pina Bausch und ihr Ensemble nach der Aufführung vom 25. Januar bekamen, zwar groß, aber nicht so groß, wie er hätte sein können.

In der Pause konnte man hören, dass das Stück zu oberflächlich sei, zu schön, nicht kämpferisch genug. Das Problem von Legenden ist, dass alle sie bewahren und pflegen wollen, ihnen aber ungern eine Wandlung zugestehen. Nun ist es in der Tat so, dass Pina Bausch nach wie vor „die menschliche Sehnsucht, geliebt zu werden“, als ihr Kernthema beschreibt. Aber gerade deswegen ist es ganz natürlich, dass sie mit zunehmendem Alter die Welt mit milderen Augen sieht, mit mehr Humor, und dass sie weniger kämpferisch, aber doch voller Neugier auf das Leben auftritt.

Das Stück „Rough Cut“, das nach einer Südkorea-Reise des Ensembles entstanden ist und 2005 in Wuppertal uraufgeführt wurde, hat wenige konkrete Anspielungen auf Seoul. Vielleicht assoziiert man den Chinakohl, mit dem Rainer Behr bedeckt wird, die Damen in den schönen Kleidern, die sich mit Kohlblättern lässig Luft zufächeln, oder den Kohlkopf, der sorgsam gewaschen und frisiert wird, bevor ihn eine Zeitung umhüllt, mit dem koreanischen Kimchi. Und natürlich denkt man an eine asiatische Metropole, wenn mit fernöstlichen Menschen gefüllte Rolltreppen auf riesigen Projektionen endlos auf- und abfahren.

Das Stück ist eine Reise durch viele wunderbare Ideen: Ein Mann pfeift eine Melodie und übergibt sie seinem Begleiter, der die Töne ganz vorsichtig und mit gespitzten Lippen auffängt, danach wieder zurückgibt. Zwei Männer spielen mit dem Gewicht eines Baumstamms, der mal leicht, dann plötzlich unerträglich schwer zu sein scheint. Ein Mann mit einem blauen Auge erklärt mit drei einfachen Gesten seine ganze Geschichte. Eine Tänzerin entledigt sich ihrer Stöckelschuhe und ersetzt diese durch langstielige Weingläser, die sie sich wie umgedrehte 'Stöckel' zwischen die Zehen klemmt. Diese kleinen Szenen und unzähligen kleinen Reisen überraschen und erheitern, andere machen melancholisch: Wenn zum Beispiel in einem Solo zu einem koreanischen Liebeslied eine Tänzerin farbige Papierrosen anzündet und sie wie Erinnerungen verbrennt. Oder wenn ein küssendes Paar durch das Meer taucht und zwischendurch nach Luft schnappen muss.

Es geht auf und ab mit den Gefühlen, und wenn auch die Krisen in diesem Stück selten existentiell werden, so wollen die Tänzer erobern und bezwingen, erobert und bezwungen werden wie die große Gletscherwand, die die Bühne dominiert. Das verschafft ihnen Gelegenheit zu einer Reihe von rasanten und explosiven, zarten und hingebungsvollen Szenen, von denen so mancher Repräsentant der zeitgenössischen Tanz-Szene noch einiges lernen könnte.
 

Besuchte Vorstellung: 25.1.07

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