Mein schönstes Weihnachtsgeschenk

„Hans van Manen – Master of Movement“: eine holländische Box mit 6 DVDs

oe
Stuttgart, 24/12/2007

Zehn Stunden Hans van Manen auf sechs DVDs, produziert von der holländischen Stichting Hans van Manen: das ist eine Ehrung, wie sie so umfassend noch keinem Choreografen der Ballettgeschichte zuteilgeworden ist. Vorgestellt wird Van Manen, der Mann, sein Leben, über dreißig Ballette seines Oeuvres, ausgewählt und kommentiert von ihm höchst persönlich, im Kreis seiner Freunde, Mitarbeiter und Tänzer – von seinen Anfängen als blutjunger Eleve bis zu seinem heutigen Dasein als Ikone des niederländischen Kulturexports. Es wird viel gelacht – und man wird selbst davon angesteckt, auch wenn man nur einen Bruchteil der meist holländischen, aber auch englischen und deutschen Texte versteht – bis hin zur holländischen Königin, deren 25-jähriges Regierungsjubiläum mit einer Galakreation gefeiert wird, im Amsterdamer Palais of de Dam und draußen, vor dem Schloss, auf der Leinwand, wo Tausende von Gratulanten die Show bejubeln.

Vor allem aber sind es die Ballette, vom frühen „Feestgericht“, entstanden vor genau fünfzig Jahren, bis zur „Transfer“-Premiere vom 27. September dieses Jahres, die den Hauptteil dieser opulenten DVD-Dokumentation bilden, getanzt von den diversen holländischen Kompanien und als einzigem Gast dem ballettmainz („Concertante“) – , die jüngeren Beispiele durchweg von der Kamera Henk van Dijks aufgenommen, dem engsten Weggefährten van Manens, der mit seiner Kamera auch verschiedentlich in die Choreografie einbezogen ist. Manches sogar in der Uraufführungsversion – wie „Twilight“ (1972) und „Adagio Hammerklavier“ (1973), beide mit Alexandra Radius und Han Ebbelaar, bis hin zu Sabine Kupferberg und Gérard Lemaître in „The Old Man and Me“ (1996).

Es fehlen auch nicht die Großwerke, zum Beispiel „Squares“ (1969), „Situation“ (1970), „Große Fuge“ (1971), „Four Schumann Pieces“ (1975), „5 Tangos“ (1977), „Balletscenes“ (1985) „Kleines Requiem“ (1996) und „Frank Bridge Variations“ (2005). Da kommen so viele Erinnerungen hoch, an die Vorstellungen, zu denen wir in den sechziger und siebziger Jahren von Köln nach Amsterdam und Den Haag fuhren, an die Persönlichkeiten , die am Zustandekommen dieser Ballette beteiligt waren, Manfred Gräter zum Beispiel vom Westdeutschen Rundfunk, den langjährigen Ausstatter Jean-Paul Vroom und seinen Nachfolger, den sehr heutigen Keso Dekker und natürlich an all die Tänzer von Marian Sarstädt, Monique Sand, Rachel Beaujean, Sonja Marchiolli, Francis Sinceretti, Henny Jurriens, Clint Farha, Lindsay Fischer, Philip Taylor, bis zu Sol León und Paul Lightfoot. Was für eine Zeit! Und wie lebendig diese Ballette bis auf den heutigen Tag geblieben sind – die einzigartige Musikalität ihrer Choreografien, denen die Musik wie ein Herzschrittmacher implantiert scheint, ihr strenges und doch so heiteres Formbewusstsein, ihre knisternde Erotik, diese tiefen Blicke, mit denen sich die Tänzer ineinander verhaken, die Signaturen ihres Vokabulars mit den diagonal ausgestreckten Armen, ihr Dürersches Markenzeichen.

Welch eine Wonne, dies alles wiederzusehen, in so makelloser Qualität getanzt und aufgenommen – man fühlt sich um ganze Jahrzehnte verjüngt. Nur ein Ballett habe ich vermisst: das „Septet Extra“, Van Manens Opus 37 aus dem Jahr 1973, von dem er selbst sagt, er habe sich damit lediglich einen Jux machen wollen. Ach gäbe es doch mehr Ballette dieses Typs! Als Stuttgarter fragt man sich natürlich, warum es nicht eine Cranko-Stiftung gibt, die zumindest die Produktion seiner drei großen Klassiker „Romeo und Julia“, „Onegin“ und „Der Widerspenstigen Zähmung“ auf DVD finanzieren könnte. Geld genug müsste doch eigentlich dank der Tantiemen, die bei den zahllosen Einstudierungen überall in der Welt an den Erben geflossen sind, vorhanden sein.

 

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