Könnte ganz interessant werden

Neubeginn in der Fuggerstadt unter Robert Conn

oe
Augsburg, 07/12/2007

Augsburg also – und wieder mal ein neuer Anfang! Wie viele habe ich in den letzten vierzig, fünfzig Jahren miterlebt. Hätte ich hier gern einmal wenigstens stichwortartig resümiert. Geht aber leider nicht. Denn hier sitze ich in meinem Augsburger Hotel – ohne Zugang zu meinen Stuttgarter Informationen. What a pity! Denn es waren ja immerhin ein paar Persönlichkeiten darunter, die wichtig waren im deutschen Nachkriegsballett. Und an sie hätte ich gern einmal erinnert.

Nach Jochen Heckmann also, der durchaus rechtschaffene Arbeit in Augsburg geleistet hat – und kürzlich zu einer Premiere nach Kempten eingeladen hat, zu der ich leider nicht fahren konnte, was ich gern getan hätte, denn ich halte ihn für einen unserer kreativeren Choreografen (Bernd Krause hat immer viel von ihm gehalten). Kempten/Memmingen immerhin erinnert mich – auch ohne elektronische Entwicklungshilfe – an Erika Lindner, die in Memmingen in den fünfziger Jahren eine Reisekompanie unterhielt, die damals auch außerhalb des Allgäus Aufmerksamkeit auf sich zog. Denn diese Erika Lindner war eine von den „Fünf von der Staatsoper“, die in den Zwanzigern von sich reden machten, als sie an der Berliner Staatsoper als Klassiker eine Sezession bildeten, die sich gegen das dort etablierte Laban-Regime wandte.

Wozu einen dieses Augsburg zu mitternächtlicher Stunde doch so alles inspiriert! Übrigens an einem Tag, an dem ich mittags bereits die Generalprobe der morgigen Uraufführung von Jörg Mannes beim Bayerischen Staatsballett in München absolviert habe. Ich will ja nicht angeben – aber wer unter den ehrenwerten Kollegen mutet sich eine solche Strapaze sonst noch zu? Vielleicht bin ich ja wirklich ein Freak! Also zurück nach Augsburg. Heute dort der Neunbeginn der Ära Robert Conn als erster Ballett-(!!!)Abend der neuen Intendantin, die aus der dramaturgischen Stuttgarter Kaderschmiede von Klaus Zehelein kommt. Auch Conn hat dort Karriere gemacht, als Amerikaner mit Reid Anderson nach Stuttgart gekommen, dort Yseult Lendvai geheiratet und eine Familie gegründet, ist dann als Ballettmeister zu Daniela Kurz nach Nürnberg gegangen und nun also erstmals Chef einer eigenen Dreizehn-TänzerInnen-Kompanie (wie ich dieses Wortungetüm hasse!) in Augsburg – zunächst noch ohne choreografische Ambitionen.

Keine Offenbarung ist der von ihm am Anfang präsentierte Roberto Campanella mit seinen „Voli di Fughe“ zu Beethovens „Großer Fuge“ op. 133, die unnötigerweise den Vergleich mit Hans van Manens Meisterwerk herausfordert, ohne auch nur einen Funken der energetischen Dynamik van Manens und Beethovens – lauter klassisch-moderne Allerweltsfloskeln wie auch sein liftfreudiger Pas de deux zu Beethovens „Mondscheinsonate“. Nur zu verstehen als klassische Visitenkarte der neuen Kompanie – nicht unsympathisch, diese TänzerInnen, doch was sie hier zu tanzen haben, banalisiert diese Musik, für die immerhin Manfred Hermann Lehner und das Philharmonische Orchester Augsburg aufgeboten sind.

Bei weitem interessanter die „Swivel Fields“ der kanadischen Choreografin Emily Molnar zu John Adams‘ „Shaker Loops“. Das sind nächtliche Impressionen einer Modern Dance inspirierten Stationenfolge von Begegnungen, albtraumhaft in einen kontinuierlichen Bewegungsfluss gebettet, von fünf Tänzerpaaren, die vorbei driften, sich zusammenballen und wieder auflösen, sehr musikalisch. Eine der choreografischen Entdeckungen aus Kanada – woher ja nicht alles kommt, was Gold ist, aber manchmal eben doch durchaus Professionelles.

Das Crescendo dieser Augsburger Ballettpremiere setzt sich fort in „Ke Lo Aya“ – wieder so ein ausgesprochen publikumsverschreckender Titel des neuen Stücks von Itzik Galili und dem holländischen Perkussionisten-Ensemble Percossa. Das ist wieder so ein Stück wie wir in Stuttgart das „Hikarizatto“ von ihm haben, das heißt viel energetische Synergien, die die Tänzer in einen Paroxysmus der Bewegungsexplosionen treiben (unterstützt von dem Beleuchtungshickhack Gerhard Funks), das in der Publikumserinnerung wie ein vorübergezogenes Gewitter wetterleuchtet. Molnar und der Israeli-Holländer Galili als Spurenleger des neuen Augsburger Ballettkurses? Ich hätte nichts dagegen.

Kommentare

Noch keine Beiträge