Tanz unter Freunden

In Augsburg gab Robert Conn mit seinem ersten Ballettabend seine Visitenkarte als Direktor ab

Augsburg, 10/12/2007

„Ballettfans aufgepasst. Das Warten hat ein Ende“, textete launig der neue Ballettdirektor Robert Conn auf der Ankündigungskarte zum ersten Ballettabend der Saison unter seiner Leitung am Stadttheater Augsburg. Groß war daher Freitagabend die Freude bei denjenigen, die vor allem aus dem ballettbegeisterten Schwabenländle in die Fuggerstadt gefahren waren – und Skepsis, Staunen, Irritation und Faszination schien sich unter den Augsburgern auszubreiten, zweieinhalb Stunden später, nachdem ihnen der frühere Solist des Stuttgarter Balletts zu seinem Einstand einen Tanzabend der Extraklasse präsentiert hatte. Ja, Conn und sein Publikum gehen gemeinsam ein reizvolles Wagnis ein. Will der charmante US-Amerikaner sein Projekt in den nächsten Jahren durchsetzen, das Ballett Augsburg unter der Intendanz von Juliane Votteler zum Knotenpunkt in der deutschen Ballettlandschaft zu machen, attraktiv für international namhafte Choreographen des neoklassischen und zeitgenössischen Tanzes und erstklassig ausgebildete Tänzer, muss er sein Publikum mitnehmen und dessen Wissen über den Bühnentanz erweitern.

Das war an diesem Abend spürbar, an dem neben vielen Bravos und zustimmenden Rufen auch – für Stuttgarter Ohren - erfrischende „Buhs“ aus den Reihen hallten, nachdem die Tänzerinnen und Tänzer Emily Molnars faszinierendes Werk „Swivel Fields“ zu John Adams Komposition „Shaker Loops“ über die Bühne gefegt hatten: ein mehrschichtiges, zeitgenössisches Erfahrungsbild von tiefer Sogwirkung, dramaturgisch aufgehängt an den Soloparts der wunderbar akzentuiert tanzenden Svenya Höhle. In hoch geschlossenem blauem Oberteil mit überlangen Ärmeln und Glanzhose, riss sie schon in den ersten, subversiv gebrochenen expressiven Bewegungen den Deutungshorizont auf, in dem die anschließenden, groß- und kleinflächig sich in Höchstgeschwindigkeit über die Bühne schiebenden Gruppen- und Soloparts zu lesen waren.

Sicher, Molnars Bewegungsvokabular, ihr Umgang mit dem Bühnenraum und der hohe Abstraktionsgrad ist der Stil prägenden Schule William Forsythes zu entnehmen, unter dessen Frankfurter Leitung sie ein großes Repertoire mitentwickelt und getanzt hatte. Die gelösten Strukturen, die sie in eine Leere hinein imaginiert und mit dichten, sich ständig in der Bewegungsrichtung ändernden Variationen aufgeladen hatten, spiegeln schimmernd eine moderne Erfahrung von Individuum und Gruppe, ein Verschwinden und Beharren in unkontrollierbar gewordenen Massenräumen – „Swivel Fields“ als ein „Dances at a Gathering“ der Gegenwart. Wie Roberto Campanella und Itzik Galili, die anderen beiden Choreographen des Abends, gehört die Kanadierin zu dem riesigen internationalen Netzwerk, das Conn nach Augsburg mitgebracht hat. So hatte Itzik Galili sein Werk „Ke Lo Aya“ 2004 ursprünglich unter dem Titel „Hikarizatto“ für das Stuttgarter Ballett konzipiert und es die Augsburger Tänzer nun mit eigenen Akzenten erobern lassen. Eine treibende, mitreißende Live-Perkussion aus der Feder der niederländischen „Percossa“ gab den Ton bei diesem selbstbewusst präsentierten Raum-Licht-Körper-Spektakel.

Seinen Reiz gewinnt das effektstarke Gesamtkunstwerk beim erneuten Schauen aus dem Spiel mit der Wahrnehmung, das Itzik als unsichtbarer Regisseur mit Hilfe einer ausgeklügelten Lichtdramaturgie inszeniert. Der Zuschauer folgt nicht seiner eigenen Sehweise, sondern Galili lenkt seinen Blick über 25 quadratische Felder, indem Lichtkegel über ihnen in wechselnder Folge und Formation ein- und ausgeschaltet werden. Der hochathletische, gleichwohl stellenweise im Vergleich zu Molnar oder Campanella eher gewöhnlich anzusehende Tanz blendet grell auf oder wird im Schatten gehalten, der Aufmerksamkeit entzogen. Galilis bewegungsreiches Werk wird damit zur Konzeptkunst, funktioniert als Metapher über die manchmal schier unstillbare Sehnsucht nach Aufmerksamkeit.

Im Vergleich dazu am wenigsten Tiefgang wies Roberto Campanellas gleichwohl ebenfalls assoziationsreiche Komposition zu Ludwig van Beethovens „Großer Fuge B-Dur“ auf. Dem Eröffnungswerk in schmeichelnden anhistorisierten Kostümen von Archel Angelo Alberto, der auch die anderen beiden Ballette ausgestattet hatte, oblag es, den geschichtlichen Abriss über das neoklassische Bewegungsvokabular zu übernehmen. Was hier im Bewegungsfluss noch knarzte oder in der Gruppe inhomogen wirkte, machte das formidable Ensemble später wieder wett. Schön anzusehen sein außerdem mitgebrachter Pas de deux zu Beethovens „Mondschein-Sonate“, den er ursprünglich für Evelyn Hart choreographiert hatte, auch wenn Janet Sartore de Luca und Armando Gonzalez Besa die Aufregung ihrer Augsburger Premiere anzumerken war. Aber unter Freunden darf man das gemäß dem Titel des Abends ja sein: „Dance Among Friends“.

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