Interview mit Jörg Mannes zu seinem „Sturm“

Wir illustrieren nicht realistisch

München, 07/12/2007

Ohne Shakespeare wäre die Tanzkunst um manches schöne Ballett ärmer. Jetzt hat der gebürtige Wiener Jörg Mannes (38), seit 2006/07 Tanzchef an der Staatsoper Hannover, fürs Bayerische Staatsballett Shakespeares letztes Drama „The Tempest“ (1613) choreographiert: Am 8. Dezember kommt „Der Sturm“ im Münchner Nationaltheater zur Uraufführung.

Frage: Herr Mannes, Prospero, von seinem Bruder Antonio um die Fürstenkrone beraubt, will sich rächen, verzeiht schließlich und entsagt, altersweise, aller Macht. Obendrein ist Prospero auf seiner Insel auch noch ein großer Zauberer und Herr über den Luftgeist Ariel und den Fischmenschen Caliban. Wie kriegt man das alles auf die Tanzbühne?

Jörg Mannes: Auch eine Theaterinszenierung kann nicht alles erfassen. Für mich war interessant, die verschiedenen Gruppen deutlich gegeneinander zu stellen. Also einerseits Prospero und seine Tochter Miranda. Dazu noch Alonsos Sohn Ferdinand, der sich in Miranda verliebt. Ihnen gegenüber die „negative“ Gruppe Antonio, Alonso und Sebastian. Und drittens die lächerliche Gruppe mit Stefano, Trinculo und Caliban, wobei der nicht n u r lächerlich ist. Wie ja auch Prospero letztlich nicht eine ausschließlich positive Figur ist. Am Anfang überlegt er durchaus seine Gegner zu ermorden. Es ist ja alles sehr vielschichtig.

Anmerkung: Eben...

Jörg Mannes: Aber ich bekomme Unterstützung von der Musik. Im ersten Teil Bruckners 4. Symphonie, die sehr klar und rhythmisch ist. Dann Tschaikowskys sinfonische Fantasie „Der Sturm“. Und am Ende Sibelius' 7. Symphonie, die auch Sturm in sich hat und zugleich eine Stimmung der Vergebung in sich trägt.

Frage: Und wie würden Sie Ihre Tanzsprache charakterisieren?

Jörg Mannes: Ich baue auf den klassischen Bewegungen auf, führe sie weiter, indem ich versuche sehr persönliche Bewegungen einfließen zu lassen. Aber es ist nicht so, dass ich pure Alltagsbewegungen verwende. Ich übersetze diese Bewegungen, ummantele, abstrahiere sie, mache also kein Tanztheater. Bei mir ist es Tanz.

Frage: Sie waren Tänzer im Ballett der Wiener Staatsoper, dann an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg unter Heinz Spoerli, haben alle Stile kennengelernt, von Bournonville und Balanchine bis Cranko, Neumeier, van Manen, Kylian und Forsythe, um nur die wichtigsten zu nennen. Wer hatte den stärksten Einfluss?

Jörg Mannes: William Forsythe. Wobei ich ihn überhaupt nicht kopieren will. Das kann man auch nicht, vor allem nicht gut. Aber die Gedankenwelt, die hinter seinem Tanz steht, kann anregend sein, auch für jemanden wie mich, der ja nicht so abstrakt, sondern eher aus dem Gefühl heraus choreographiert.

Frage: Wird es in Ihrem „Sturm“ szenisch so etwas wie Schiffbruch, Seenot, Zauberei geben?

Jörg Mannes: Die Ausstattung ist sehr abstrakt. Man braucht seine Fantasie dafür. Das Bühnenbild ist sehr technisch, aber extrem wandelbar. Wir stellen eigentlich mit denselben Elementen, nämlich dreiseitigen Säulen, alles dar. Sie sind 15 Meter lang, horizontal befestigt und in jede Position drehbar. Die Seiten haben jeweils verschiedene Oberflächen, die einmal das Meer darstellen, dann auch Schrift, also die Bücher Prosperos oder auch sein Haus. Teilweise haben sie eine Spiegeloberfläche, welche die Ariels – bei mir sind es mehrere – sozusagen auch in die Luft bringen. Wir illustrieren nicht realistisch wie im 19. Jahrhundert. Aber ich denke, man versteht alles.

Kommentare

Noch keine Beiträge