Stürmische Zeiten

Ein Interview mit Lucia Lacarra

München, 06/12/2007

Die erste Solistin des Bayerischen Staatsballetts Lucia Lacarra (32) ist am Samstag in der Premiere von Jörg Mannes’ „Der Sturm“ zu sehen. Im tanznetz-Gespräch mit Isabel Winklbauer sprach sie über diese Uraufführung, über ihre beruflichen Pläne aber auch private Themen.

Frau Lacarra, Jörg Mannes’ „Der Sturm“ ist ein neoklassisches Ballett. Fühlen Sie sich als Anhängerin des klassischen Stils darin wohl?

Lucia Lacarra: Stimmt, ich liebe es klassisch. Doch das Wichtigste ist für mich, eine inspirierende Rolle zu haben. Ich liebe Dramatik und ich liebe es, wenn ich meine Gefühle in die Handlung einbringen kann. Das ist im „Sturm“ der Fall: Ich habe eine Rolle, die sich entwickelt, und da wird die Technik letztlich unwichtig.

Sie tanzen den Luftgeist Ariel. Was ist das für eine Figur? 

Lucia Lacarra: Das herauszufinden, war nicht leicht. Ein Geist ist ja kein Charakter im herkömmlichen Sinne. Er ist keine Person, kein Mann, keine Frau. Auch Shakespeares Vorlage bleibt sehr kryptisch, wenn es um Ariel geht. Erst jetzt in den letzten Tagen, da wir auf der Bühne proben, fühle ich die Rolle langsam von innen.

Und wie interpretieren Sie sie?

Lucia Lacarra: Zunächst mal weiblich. Ich bin eine Frau, und da wäre es unklug, meine Körperbewegungen zu verstellen. Darüber hinaus muss Ariel aber alles sein können: gemein, sexy, vernünftig, hässlich... Was ich zeigen will ist, wie sehr sie unter dem Einfluss von Prospero steht. Er hat sie aus der Gefangenschaft gerettet, also schuldet sie ihm Dankbarkeit. Er jedoch nützt diese Dankbarkeit rücksichtslos aus und will mit ihr nur seine Rachepläne erfüllen. Also ist Ariel nun doch wieder gefangen. Sie fragt ständig, wann sie endlich genug Wünsche erfüllt hat, damit er sie gehen lässt. Sie lebt im Zwiespalt zwischen Unterwürfigkeit und Freiheitsdrang.

Ihr Partner ist diesmal Alen Bottaini als Prospero. Man hat Sie nicht oft zusammen gesehen. Wie klappt die Zusammenarbeit?

Lucia Lacarra: Für mich ist es wichtig, einem Partner vertrauen zu können. Mit Alen bin ich schon immer gut klar gekommen. Die „Kameliendame“ haben wir einmal nach nur zwei Proben gestemmt! Er ist ein absoluter Profi. Wir verstehen uns toll beim Proben. Nach Feierabend sind wir aber keine Kumpels.

Insgesamt betrachtet: Was für ein Stück bekommen die Zuschauer am Samstag zu sehen?

Lucia Lacarra: Ein schwieriges. „Der Sturm“ ist sehr abstrakt, auch die Kulissen, die Kostüme. Die Zuschauer müssen wirklich tief in die Geschichte eintauchen und sich ein eigenes Bild machen. Es gibt keine Schiffe oder Schatzkisten wie in „Le Corsaire“, die klare Verhältnisse schaffen. „Der Sturm“ ist eine Vision, ähnlich einem modernen Gemälde. Es ist wirklich etwas ganz Neues, im Vergleich zu dem, was es in den letzten Jahren gab.

Sie sind jetzt seit sechs Jahren in München. Fühlen Sie sich immer noch zuhause?

Lucia Lacarra: Mehr als in jeder anderen Kompanie, in der ich war. In Madrid war ich drei Jahre, in San Francisco fünf – hier bin ich länger als jemals wo zuvor! Ich habe mir sogar ein Apartment gekauft, in der Nähe des Sendlinger Tors. Das habe ich noch nie irgendwo getan. Trotz aller Gastspiele und Reisen, hier ist mein Zuhause, mein Trainingssaal, meine Sachen.

Dabei hatten Sie es anfangs nicht leicht in München. Die Leute haben teils reserviert auf Sie reagiert.

Lucia Lacarra: Wenn man jemanden nicht kennt, macht man sich eben so sein Bild. Gerade von einer ersten Solistin erwarten die Menschen, dass sie sofort perfekt funktioniert. Leider wissen sie nicht, wie schwierig es ist, die Kompanie zu wechseln. Im ersten Jahr ist die Probenarbeit einfach irrsinnig, man muss sich das ganze Repertoire aneignen.

Dabei waren Sie damals schon ein Star. Hat Sie die Haltung mancher Kritiker gekränkt?

Lucia Lacarra: Ich habe das nie persönlich genommen. Als Tänzer darf man seine Zeit nicht damit verbringen, gemocht werden zu wollen. Ich habe lieber meine Arbeit so gut wie möglich gemacht, statt mit Kunststückchen um die Gunst der Zuschauer zu buhlen. So etwas darf man nicht erzwingen. Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung.

Inzwischen lieben die Münchner Sie heiß und innig. Wann war der Punkt, an dem Sie gemerkt haben: Jetzt habe ich sie!

Lucia Lacarra: Den gab es nicht. Das war eher ein langsamer Prozess. Wir mussten uns einfach besser kennen lernen. Vielleicht hatte ich anfangs auch nicht die Rollen, die zu mir passten.

Apropos Rollen: Was waren bisher für Sie die Highlights an der Isar?

Lucia Lacarra: „Romeo und Julia“ mit Cyril Pierre war fantastisch, und auch die Vorstellung mit Vladimir Malakhov in der Ballettwoche 2005. Das zweite Highlight war sicher die „Kameliendame“ mit Roman Lazik. Aber das Beste war der jüngste „Onegin“. Die Zusammenarbeit mit Marlon Dino war einfach grandios.

Er wurde auch sehr gelobt.

Lucia Lacarra: Ja, er ist so voller Energie, so neugierig und konzentriert. So jemanden an der Seite zu haben hat mir unendlich viel gegeben. Er ist jung und ich habe ihm geholfen – aber auch er hat mir mit seiner Hingabe geholfen. Ich habe völlig neue Aspekte des Stücks kennengelernt. Er ist unglaublich musikalisch.

Ist es wahr, dass Marlon Dino und Sie sich bei der Arbeit verliebt haben?

Lucia Lacarra: Ja, das stimmt. Cyril Pierre und ich haben uns im Juni getrennt. Marlon Dino und ich sind seit diesem September ein Paar.

Wie schön. So romantisch stellt man sich Ballett immer vor.

Lucia Lacarra: Das Witzige ist, dass ich Marlon seit Jahren kenne. Richtig ins Gespräch gekommen, sind wir aber nie. Erst letzten Sommer, als Roman Lazik ging, probte ich mit Marlon „Das Lied von der Erde“. Das Erste, was ich damals fühlte, war, dass wir tänzerisch perfekt zusammen passen. Ich vertraute ihm blind, alles lief perfekt. Darauf folgten viele lange Gespräche, während derer wir uns kennenlernten. Und als wir jetzt Onegin probten, war für uns einfach klar, dass wir zusammengehören.

Das hat man auch auf der Bühne gesehen. Die Funken flogen nur so.

Lucia Lacarra: Dieser „Onegin“ war wirklich etwas ganz Besonderes für uns. Jeder Blick, jede Geste hat eine besondere Bedeutung, wenn man verliebt ist. Es entsteht eine ganz spezielle, magische Atmosphäre.

Sind Sie so sehr Tänzerin, dass Ihr Partner im Privatleben gleichzeitig Ihr Partner auf der Bühne sein muss?

Lucia Lacarra: Einerseits brauche ich natürlich einen Tänzer an meiner Seite. Denn jemand Außenstehendes würde meine Arbeit gar nicht verstehen. Außerdem ist mir auch wichtig, dass eine Liebesbeziehung eine starke körperliche Komponente hat. Ich brauche eine Art „Skin-Connection“. Andererseits habe ich so etwas damals nicht bewusst gesucht. Es hat Marlon und mich einfach erwischt.

Trennungen dagegen sind nicht so schön. Gab es in dieser Zeit nicht auch schwierige Momente zwischen Cyril Pierre und Ihnen?

Lucia Lacarra: Es war bei weitem nicht so schwierig wie mein Entschluss zur Trennung. Wissen Sie, unter Balletttänzern sind Beziehungen etwas sehr heikles. Wer sich trennen will, muss sich als erstes fragen, welche Auswirkungen das auf die Arbeit hat. Wie geht es mit den Rollen weiter, wird man sich im Probensaal nur noch streiten? Deshalb kommt es oft vor, dass Tänzer Entscheidungen, die wichtig für sie wären, aus Angst einfach nicht treffen.

Was hat Sie letztlich zu dem Schritt bewogen?

Lucia Lacarra: Es ging einfach so nicht weiter. Cyril und ich waren 24 Stunden täglich zusammen, und das jeden Tag, zwölf Jahre lang. Das war einfach zu viel. Unsere Beziehung starb langsam dahin. Ich sagte mir im Frühjahr: Egal was jetzt passiert, egal ob alles zusammen bricht, du gehst jetzt. Und das war richtig. Ich bin heute so glücklich wie noch nie in meinem ganzen Leben.

Nun fragt man sich natürlich: Werden Sie und Cyril Pierre weiter zusammen tanzen?

Lucia Lacarra: Oh ja, das werden wir! Wir sind inzwischen sehr gute Freunde und werden das auch bleiben. Nächsten Montag tanzen wir „Light Rain“, eine Choreographie des Joffreys Ballets auf einer Gala in Bologna, und im Februar treten wir in New York gemeinsam bei der Gala im Lincoln Center auf. Cyril ist inzwischen übrigens auch in einer neuen, glücklichen Beziehung.

Sind auch schon weitere Projekte mit Marlon Dino geplant?

Lucia Lacarra: Ich hoffe sehr, dass wir nächstes Jahr zusammen die „Kameliendame“ machen. Es ist fantastisch, mit ihm zu tanzen. Manchmal atmen wir sogar gleichzeitig. Aber keine Sorge, das heißt nicht, dass ich nur noch mit ihm tanzen will. Und ich sehe anders herum auch gerne zu, wenn er mit einer anderen Ballerina tanzt.

Und wie verbringen Sie den Jahreswechsel?

Lucia Lacarra: Über Weihnachten bleibe ich in München, da wir am 26. Dezember „Onegin“ geben. Marlon und ich feiern dann unser erstes gemeinsames Weihnachten. Wir werden unsere eigene, kleine Tradition begründen. An Sylvester fliege ich dann aber nach Spanien zu meiner Familie. Dann wird traditionell gefeiert, mit allem was dazu gehört. Inklusive Sekt und der zwölf Weintrauben, die man um Mitternacht zu den Glockenschlägen futtert!

 

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