„Wien fehlt ein erstklassiges Ballett“

Bis 2005 war Giorgio Madia Direktor der Volksoper. Die Operette in Mörbisch betreut er weiterhin, im Herbst ruft Berlin

Wien, 28/07/2007

Noch hat er eine Wohnung in Wien: Giorgio Madia, Volksopern-Ballettdirektor von 2003 bis 2005, kommt gern in diese „ruhige, nicht hysterische Stadt, in der die öffentlichen Verkehrsmittel funktionieren“. Aber: „Ich denke auch daran, die Adresse abzumelden, weil ich künstlerisch hier keine Nahrung bekomme. Der Stadt fehlt ein erstklassiges Ballett, aber auch eine neoklassische Kompanie, die doch im Tanzquartier beheimatet sein könnte.“ Im zeitgenössischen Bereich gebe es viel, allerdings oft auf niedrigem Niveau, meint Madia, der in seinen modernen Ballett-Produktionen Wert auf Perfektion und Klarheit legt. „Tanz ist für mich vor allem eine visuelle Kunst. Abgesehen davon findet vieles in St. Pölten statt, was eigentlich in Wien sein müsste. Michael Birkmeyer (Intendant des Festspielhauses St. Pölten, Anm.) hat da oft eine gute Nase.“

Seit seinem Abschied von der Volksoper ist Madia freischaffend. „Ich hatte anfangs ein mulmiges Gefühl, aber jetzt bin ich viel unterwegs, kann entscheiden, ob ich unterrichte, bei Ensembles wie etwa dem portugiesischen Nationalballett Trainings gebe, Choreografie oder Regie mache.“ In Wien weiß man derzeit vor allem von Madias Choreografie für die Operettenfestspiele in Mörbisch. Zum sechsten Mal hat er heuer Hand angelegt. Der einfache Job, als der diese Aufgabe oft belächelt wird, sei die Bewegungs-Gestaltung für den Strauß-Evergreen „Wiener Blut“ aber nicht. „Regie und Sänger haben immer ihre eigenen Vorstellungen. Was die Tänzer betrifft, habe ich mittlerweile ein Ensemble aus Slowaken, Tschechen und Polen die über die Jahre fast zu einem Team geworden und für diese Aufgabe genau richtig sind.“

Aus dem Auftrags-Puzzle, das Madia dieses Jahr beschäftigt, sticht Berlin hervor. Vladimir Malakhov hat ihn eingeladen, die mit ausgeklügelten Tanz-Tricks bestückte Volksopern-Produktion „Alice's Wonderland“ (Musik: Nino Rota) mit dem Staatsballett im September an der Komischen Oper herauszubringen. „Es muss alles sehr rasch gehen“, meint Madia, „ich habe knappe zwei Wochen“. Angetan zeigt er sich von der jungen Tänzerin Iana Salenko, eine seiner Alice-Darstellerinnen. Im Frühling 2008 wird Madia wieder an der Wiener Kammeroper tätig sein. Zwei Werke von Jean-Philippe Rameau, sogenannte „opera-ballets“, wollen inszeniert werden.

Zur Person
Giorgio Madia - Tänzer und Choreograf Madia studierte von 1976 bis 1984 an der Ballettschule der Mailänder Scala. Er tanzte einige Jahre bei Maurice Béjart in Brüssel und danach in Lausanne. Ab 1988 war er Solist in den USA in den klassischen Ensembles von Pennsylvania, Milwaukee und San Francisco und tanzte u.a. Werke von Balanchine, Taylor, Cunningham, Tanner und Forsythe. Drei Jahre lang tourte er im Ensemble „Nureyev & Friends“ um die Welt und war u.a. mit Nurejew in dem Duo „Lieder eines fahrenden Gesellen“ zu sehen. 1997 beendete er seine Laufbahn als Tänzer und wurde zunächst Ballettmeister in Florenz, dann in Berlin.

Während seines Engagements beim Zürcher Ballett unter der Direktion von Bernd R. Bienert entwarf Madia seine erste Choreografie. Seit 2000 hat er vor allem für das klassische Ensemble am Teatr Wielki im polnischen Lodz choreografiert. Im Mai 2007 brachte er dort „Cinderella“ (Rossini) heraus und wurde dafür mit der „Goldenen Maske“ ausgezeichnet. Das Angebot für seine erste Opernregie, „Hoffmanns Erzählungen“, folgte. An der Volksoper brachte Madia zwei abendfüllende Werke heraus.

Link: www.giorgiomadia.com
Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

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