Nachtigall mit Zahnschmerzen

Gelabert-Azzopardi bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

Ludwigsburg, 20/06/2007

Eleganz, Esprit und hintergründiger Humor kennzeichnen den Stil des Katalanen Cesc Gelabert. Von der Qualität des Choreografen konnten sich Tanzfans in Heilbronn vor drei Jahren durch Mikhail Baryshnikovs Solo „In a Landscape“ ein Bild machen. Das Stück, das Gelabert dem amerikanischen Ausnahmetänzer russischen Ursprungs auf den Leib geschrieben hat, war von der Kritik abgestraft worden: „Das Spektakuläre fehlt“ befand die Süddeutsche Zeitung. Dass in Gelaberts Tanztheater gerade im Unspektakulären die Sprengkraft liegt, davon konnte sich das Publikum der Ludwigsburger Schlossfestspiele beim Gastspiel der siebenköpfigen Truppe Gelabert-Azzopardi Companyia de Dansa überzeugen. Begeistert reagiert es auf „Psitt!! Psitt!!“ und „Caravan“, zwei präzise komponierte, reine Tanzstücke aus dem Jahr 2005, die als deutsche Erstaufführungen in der Karlskaserne zu sehen waren.

In suggestiv-ironischer Weise setzt sich das Künstlerduo Cesc Gelabert und Lydia Azzopardi (Kostüme) mit den Spielanweisungen und Kompositionsstrukturen des französischen Musikers Eric Satie sowie dem Jazz der 50er und 60er Jahre auseinander. „Hey kids, what time is it?“ - Party-Time heißt die Antwort in „Caravan“. Mit Blicken tasten sich die Tänzer ab, täuschen Aktionen an und deklinieren gemischte Gefühle in unbekannten Beziehungen durch. Ein gewagter Cocktail aus einem Trauermarsch der Neville Brothers, Lester Bowies verschliffenen Trompetentönen, Dr. Johns Psychedelic Rock sowie Chet Bakers Cool Jazz treiben die unterschwellige Erotik dieser Partygesellschaft auf die Spitze. „Du bist unfotogen und siehst zum Lachen aus, dennoch bist du mein liebstes Kunstwerk!“ – ein dokumentarreifes Kompliment, mit dem Baker seine „Funny Valentine“ bedenkt.

Für „Psitt!! Psitt!!“ hat Pascale Comelade auf den Spuren Saties eine Art moderner Drehorgel-, Spieluhr- und Zirkusmusik komponiert. Ein feiner Klangteppich, auf dem sich wie im Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“ ein Geflecht tragikomischer Begegnungen puppenhafter Wesen und skurriler Figuren entspinnt. Ballett, Pantomime und Slapstick, Modern Dance und Folklore, alte Bewegungsidiome werden entschlackt. Aus vielfältigen Chiffren entsteht eine neue Handschrift leichtfüßiger Soli, Duette und Trios. Zierliche Schritte auf Zehenspitzen, sich dabei die Backe haltend, ein surrealistisches Poem, das die Tänzerin in eine Nachtigall mit Zahnschmerzen verwandelt.

„Vergiss die Gegenwart!“ habe Satie notiert – als könne er die Zeit nicht nur anhalten, sondern zurückspulen, durchstreift Gelabert auf der leeren weißen Bühne rückwärts schlendernd lindgrüne Schatten- und Lichtzonen (Baltasar Patino). Eine Reminiszenz an Oskar Schlemmer und Gerhard Bohner scheint der Tänzer-Choreograf, der auch Architektur studiert hat, mit gradlinigen Armkreisen Raum und Zeit zu vermessen. Kleine Gesten im Wechsel mit raumgreifenden, schnellen Passagen stehen für große Gefühle.

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