Eine Ära geht zu Ende

Philip Taylor und das balletttheater münchen verabschieden sich vom Gärtnerplatz

oe
München, 25/05/2007

Und wieder ein Abschied – diesmal für Philip Taylor und sein famoses balletttheater münchen (immerhin Ballett und das in Zusammenhang mit dem Theater gleich mit drei t) – nach elfjährigem Wirken, und das darf man ja wohl eine Ära nennen. Das weckt viele Erinnerungen an dieses Haus. Sie gehen zurück bis zu jener denkwürdigen Uraufführung von Jean Cocteaus „Die Dame und das Einhorn“, choreografiert von Heinz Rosen, mit der blutjungen Veronika Mlakar. Wann das genau war? Die Schwierigkeiten dieser koeglerjournals, abgefasst im Hotel, weit entfernt von Stuttgart, wo die Nachschlagewerke griffbereit neben dem Computer stehen, unterwegs abgefasst, allein auf das Gedächtnis angewiesen. Sicher, ich könnte telefonieren und um ein Nachschlagen der Fakten bitten, aber das ist viel zu umständlich, nimmt zu viel Zeit in Anspruch und verursacht zusätzliche Kosten. Da nehme ich lieber den gelegentlichen Irrtum in Kauf, darauf hoffend, dass die beiden Koegleranerinnen in München und Waiblingen aufpassen und mich notfalls korrigieren. (Die Uraufführung war 1953, Anmerkung der diensthabenden Koeglerianerin).

Taylors Münchner Abschiedsprogramm also mit den wiederaufgenommenen „Goldberg Variationen“ aus dem Jahr 2000 und dem neuen Amerika-Medley „Rhapsody in Blue“ – zu Kompositionen von John Adams (wie denn auch nicht), dem titelgebenden Stück von George Gershwin, zwei Piecen von Charles Ives und Irving Berlins „There‘s no business like show business“. Ein fantastischer Zweieinhalb-Stunden-Abend, mit Tanz, Tanz und noch einmal Tanz, der Taylors formidable Vielseitigkeit bezeugt – wie für eine Casting-Show eines arbeitslosen Choreografen – aber auch für die stupenden technischen Möglichkeiten seiner Tänzer zwischen Showbusiness-Routine bis zur Blues-Stimmung von Edward Hopper (hinreißend der Pas de deux für Rita Barao Soares und Alessandro Souza Pereira, der Taylor und seine Tänzer in die ungewisse Zukunft der Ivesschen „Unanswered Question“ entlässt).

Ein Jammer wahrlich, dass diese Premier-Liga-Kompanie aus zwanzig höchst individuellen Tänzern demnächst aufgelöst wird. Ein stärkerer Kontrast dieser so hoch motivierten Tänzer zu dem gestrigen Abend ist kaum denkbar. Ich war hingerissen – und man weiß ja inzwischen, wie gerne ich mich hinreißen lasse! Im Lichte der gegenwärtigen Doping-Enthüllungen muss ich allerdings bekennen, ein schlechtes Gewissen zu haben, indem ich mich eben NICHT von Taylor und seinen Tänzern habe dopen lassen und so dem balletttheater münchen nicht die ihm gebührende kritische Aufmerksamkeit habe zuteilwerden lassen. Denn nach diesem brillanten Finale kann ich nur hoffen, dass uns dieser so ungemein kreative Choreograf in Zukunft nicht verloren geht. Immerhin hat Birgit Keil wieder einmal die Nase vorn gehabt, als sie Taylor nach Karlsruhe eingeladen hat. Doch geht das, was er mit seinen eigenen Tänzern erarbeitet hat, weit über seine Karlsruher Gastchoreografie hinaus.

Wie wär‘s denn, wenn Stuttgart ihn einmal für ein Revival seiner „Rhapsody in Blue“ einlüde, mit Eric Gauthier als Entertainer im finalen „There‘s no business like show business“ (in München von Alex Frei mit der Nonchalance eines Frank Sinatra hingelegt)? Das Stuttgarter Repertoire würde jedenfalls davon profitieren.

 

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