„Die Geburt der Sehnsucht“

Xin Peng Wang verfremdet Prokofieffs „Romeo und Julia“

Dortmund, 29/10/2007

Die Verwirrung vieler Dortmunder Zuschauer am Ende der 90-minütigen, pausenlosen Premiere von „Romeo und Julia“ war groß, die Ovationen für den Choreografen und seine tanztechnisch wahrlich phänomenal gereifte Compagnie größer. Xin Peng Wangs reichlich kopflastige Version der Veroneser Liebestragödie auf das Libretto von Chefdramaturg Christian Baier reduziert Shakespeares Schauspiel auf die eigenwillige Quintessenz: wenn „verbotene Liebe“ stirbt, wird die Sehnsucht geboren. Zwischen dem Prolog im Paradies und dem Epilog im Elysium steht die „Handlung“: menschliches Leben gehorcht brutalem, eisernen Gesetz. Dass selbst „wahre Liebe“ nicht ohne Sehnsucht bleibt, zeigt eine kurze Szene mit einem „alten Paar“ (Michele Haugen und Mark Hoskins): die Frau schiebt den im Rollstuhl sitzenden Ehemann. Beider getanztes Duett visualisiert die Sehnsucht, dass der Alltag doch wieder wäre, wie er nicht mehr sein kann.

Die Idee hat durchaus Meriten, auch wenn sie in Details nicht wirklich stimmt. Vor allem aber reicht die Choreografie nicht aus für Sergej Prokofieffs Ballettmusik, die die Dortmunder Philharmoniker unter Ralf Lange mit geringen Abweichungen und Umstellungen vom Original hervorragend transparent und dramatisch spielen. Edel symbolträchtig setzen Bühnendekoration und Kostüme von Jérôme Kaplan und das Lichtdesign von Detlef Plümecke optisch ideale Akzente für dieses neoklassische Ballett. An das Original knüpfen lediglich das Duett der Balkonszene und der Ball im Hause Capulet. Im Prolog finden Romeo und Julia alias Adam und Eva im Paradies zu einander. Monica Fotescu-Uta tanzt überwältigend geschmeidig, gut unterstützt von dem etwas farblosen, athletischen Adrian Robos. Auf Erden aber herrscht eiskalt des Gesetz – mit grandioser Verve: Ivica Novakovic. Alle Menschen (das grandiose Corps) sind ihm hörig, ordnen sich seinem Kommando wie eine sozialistisch gedrillte Armee unter – bis die Sehnsucht nach dem Elysium in unbefangener Liebe siegt. Hätte Wang sich doch nur getraut, sein Ballett beim Namen zu nennen: „Die Geburt der Sehnsucht – Ballett auf Musik von Sergej Prokofjew (Romeo und Julia)“.

Trotzdem: Dortmunds Ballett bietet einen glanzvollen Ballettabend, der den beiden anderen neoklassischen NRW-Compagnien in Essen und Düsseldorf/Duisburg durchaus das Wasser reichen kann.


Nächste Vorstellungen im Opernhaus Dortmund: 2., 11. und 23. November Karten: 0231-5027222 Link: www.theaterdo.de

 

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