Abschlussgala mit „Flora“ und einer modernen Lopatkina

Drei Höhepunkte im Finale des Mariinsky Festivals

St. Petersburg, 25/04/2007

Die dreiteilige Abschlussgala des Mariinsky Balletts am 22. April begann mit einer Wiederaufführung von „Das Erwachen der Flora“. Kritikerglück – nicht nur, weil der Bericht darüber schon geschrieben ist, sondern weil dieses von Sergei Wicharew rekonstruierte und einstudierte Petipa-Ballett so brandneu, so original-frisch nicht wieder zu sehen ist. Zugleich als Referenz an Marius Petipa, den Begründer des Weltruhms dieses Hauses, und an die größte Leistung dieses Ballettjahres und dieses Festivals! Im zweiten Teil legte Damian Woetzel vom New York City Ballet die „Suite of Dances“ von Jerome Robbins allzu schlicht als individuelle Annäherung eines relaxten Amerikaners an Bachs Musik an. Im Gegensatz zu der charmanten Kunstfigur, mit der früher Manuel Legris die Kraft dieser Musik manifestierte, war das zu dürftig ausgestaltet, als dass der Funke hätte überspringen können.

Der anschließende Pas de deux aus dem Ballett „Der Talismann“ scheint hoch im Kurs zu stehen, war er doch auch kürzlich in München zu sehen. In St. Petersburg wirkte Mikhail Lobukhins türkiser Schlafanzug als Kostüm weit weniger befremdlich, mit der virtuosen Ekaterina Osmolkina stand ihm eine Partnerin zur Seite, deren beschwingte Leichtigkeit schön anzusehen war, und seine Sprünge sind ja, wie martialisch er sie auch präsentierte, so schlecht nicht.

Alexei Ratmanskis „Middle Duet“ zur Musik von Yuri Khanon führte Maria Kowroski vom New York City Ballet mit Islom Baimuradov zu einem neoklassischen Pas de deux zusammen. Dessen Bewegungsstudie gilt vorzüglich der Tänzerin, und diesmal zeigte der Gast spannende Dynamik in Counterbalancen, Shifts und Schritten wie auch in Musikalität und Phrasierung, von Baimuradov adäquat gepartnert. Dann schimmerten, durch den tief ins Gesicht gezogenen Hut zunächst unkenntlich, von wem, messerscharf gezeichnete Beine im Halbdunkel der Bühne auf. Das konnten nur die der größten Ballerina sein. Beim „Tango“ von Astor Piazolla, den Nikolai Androsov choreografiert hat, realisierte Ulyana Lopatkina faszinierende Momente in den Tango-Posen sowie mit blitzschnellen Pirouetten und verwandelte sich überzeugend dem Typ des nächtlich umherschweifenden Kavaliers an. Das war nicht nur eine russische Kopie, sondern ein Mal mehr maßstabsetzend.

Dass anschließend Maria Aleksandrova an der Seite von Igor Kolb den Pas de deux des Schwarzen Schwans, einer der Paraderollen Lopatkinas, tanzte, hatte irritierende, für den Moskauer Gast nicht vorteilhafte Wirkung. Dennoch kann man Aleksandrova makellose Technik wie auch hohe Eleganz und eine exquisite Fouetté-Variante bescheinigen.

Viktoria Tereshkina und Vladimir Shklyarov, die beide während des Festivals wohl die häufigsten Auftritte zu bestreiten hatten, eröffneten den dritten Teil dieser Gala mit dem „Grand Pas Classique“ von Viktor Gsovsky technisch stark und in der Präsentation elegant, doch ohne dass es überragend war. Dann brachte Igor Kolb, als Clochard-Gestalt sich zögerlich seines langen Mantels entledigend, den „Schwan“, die schwarze Parodie des moldawischen Avantgarde-Choreographen Radu Poklitaru auf Fokines „Sterbenden Schwan“ zur Musik Camille Saint-Saens, mit finsterer Präsenz und komischem Beharren zu einem schönen Lacherfolg.

Für einen neuerlichen Höhepunkt sorgte Ulyana Lopatkina, als sie mit dem jetzt in Moskau tanzenden Andrei Merkuriev als Partner in hautengem dunkelgrünem Trikot und rotem Pferdeschwanz vorführte, wie spektakulär der Forsythe-Pas de deux aus „In the Middle Somewhat Elevated“ sein kann, wenn er dynamisch und entschieden akzentuiert und mit großer Amplitude in energiegeladene Posen gedehnt wird.

Wieder mit einem Gast vom Bolschoi, der als Kitri begeisternden Natalia Osipova, und dem in St. Petersburg tanzenden Leonid Sarafanov bildete das zur Zeit wohl spektakulärste Paar den Abschluss dieser Gala: Im Pas de deux aus „Le Corsaire“ boten sie eine so überragende Virtuosität, die bei ihr durch leidenschaftliche Extensionen und einen vierfachen Fouetté-Abschluss begeisterte, dass sie die Überstrapaziertheit dieses Stücks vergessen machten. Beide scheinen sich für gemeinsame Auftritte auch gern zusammenzufinden. Ihr Beitrag zu diesem gut dimensionierten Abend war aber von der auch künstlerischen Größe noch zu deutlich entfernt, um ihn mit den beiden, die Ulyana Lopatkina zu danken waren, oder mit der Gesamtwirkung von „Floras Erwachen“ auf eine Stufe zu stellen.


Besprochene Vorstellung: 22. April 2007

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