Zwei Wien-Programme von Anne Teresa De Keersmaeker

Eine Meisterin trifft an der Wien auf Mozart

Wien, 18/12/2006

Das Wiener Publikum kennt ihr Werk so genau wie kaum ein anderes. Weiß um Anne Teresa De Keersmaekers Striktheit in Fragen der Musikalität Bescheid und über ihre Bedingungslosigkeit im Umgang mit choreografischer Struktur und Raum.

Dass ihre fünfzehn Jahre alte Auseinandersetzung mit Konzertarien von Mozart unter dem Titel „Un Moto Di Gioia“, bis Mittwoch im Theater an der Wien, eine weniger bekannte Seite der flämischen Choreografin offenbart, überrascht nun.

Heiterkeit Mit einer ihr selten innewohnenden Heiterkeit begegnet sie in einem wohlfeil zusammengestellten Programm dem musikalischen Genie. Die Liebe und ihr Schmerz um den Verlust derselben sind Mittelpunkt, die reich geschmückten Männer mit ihrem Machismo, ihrer Ahnungslosigkeit und wetteifernden Allüre Angelpunkt.

Gleich der erste Auftritt fordert Applaus: Der herausragende Tänzer Vincent Dunoyer, barfuß im barocken Frack, verkörpert Freude, Sinnlichkeit und Schalk und umgarnt die Sopranistin Patricia Biccirè, die sich mit Olga Pasichnyk und Iwona Sobotka abwechselt: „Un Moto di Gioia“, Einlagearie aus „Figaros Hochzeit“, wird wiederkehrendes Thema des Abends um die Anziehung der Geschlechter. Auf das feine Hammerklavier-Spiel von Claire Chevallier folgen die volltönenden Symphoniker, die unter der charismatischen Leitung von Alessandro di Marchi zu einem kongenialen Partner der Tänzer werden. Auf der schräg gestellten elliptischen Tanzfläche zitiert Ausstatter Hermann Sorgeloos ein Schönbrunner Muster, setzt ein Stück Wiese davor und hängt gerahmtes Grün dahinter.

Wissen
Bestechend ist nicht nur die kenntnisreiche Auseinandersetzung mit Mozart und dem gesellschaftlichen und künstlerischen Ausdruck seiner Zeit. Es ist Keersmaekers Geist der Gegenwart, der den Abend beseelt. Mit eiserner Genauigkeit organisiert sie die Raumwege, spielt mit Symmetrie, Verschiebungen, musikalischen und tänzerischen Formen bis zum Disco-Move. Sie hat sich berückend individuelle Tänzer erzogen, die sie blühen lässt. Und die das repräsentieren, was auch die Tänzerin Keersmaeker ausmacht: das Einfangen der Natürlichkeit des Menschen in Choreografie.

Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

 

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