Miró tanzt in Nordhausen

Jutta Wörne choreografiert „TanzMiró“

Nordhausen, 21/03/2006

Es macht schon Eindruck, dass die kleine Stadt im Südharz im Kunsthaus Meyenburg Farblithographien des Katalanen Joan Miró aus eigenen Beständen und Leihgaben präsentiert und zeitgleich im Theater ein neues Tanzstück diesen Entdecker des anderen Blicks feiert.

Jutta Wörne, ehemalige Tänzerin aus Kassel, ist seit 2004 am Theater Nordhausen (eröffnet 1915, seit 2004 Zweispartenhaus für Musiktheater und Tanz, 480 Plätze) Deutschlands jüngste Ballettdirektorin. Mit „TanzMiró“ stellt sie (erneut nach einem Libretto von Hermann Bareis) ihre dritte abendfüllende Tanzuraufführung vor, die für die junge Kompanie aus je sechs Tänzerinnen und Tänzern maßgeschneidert scheint. Denn alle finden sie in diesem bunten Traumspiel über die Leichtigkeit des Seins zu einem bemerkenswerten Miteinander. „TanzMiró“ ist eine Hommage an den weltbekannten Maler und zugleich gelungenes Plädoyer für die Zauberwelt des Tanz-Theaters.

Wolfgang Kurima Rauschning hat die Bühne in ein sonniges Atelier mit geöffnetem Passepartout-Fenster verwandelt. Innen- und Außenwelt begegnen einander auf zwei Ebenen in einer Lichtsinfonie, die wunderbar atmosphärische Bilder jenseits von Beliebigkeit koloriert.

Als Miró (unglücklich personifiziert als der Schwarze Punkt) auf der Suche nach Liebe, Gemeinschaft und Inspiration verzaubert der junge Mexikaner Fernando Adonai Luna Bedolla durch ganzkörperliche Präsenz die Bühne. Staunend mischt er sich unter seine Kreationen, die ausgelassen und sensibel die Welt bevölkern. Miró lüftet das Geheimnis im Ball des Springteufels und gewinnt die Liebe der Herzdame wie die des Publikums. Bemerkenswert wie die je sechs jungen Tänzerinnen und Tänzer als Sonne, Mond, Hund, Libelle, Gentleman, Träumer, Strichmännchen, Vogel und Harlekin zu einem spielfreudigen Miteinander finden. Hier tanzen junge Leute von heute, die sich durch zeichenhafte Accessoires in Phantasiewesen verwandeln (Kostüme Sonja Hesse), deren erkennbares dramatisches wie komisches Potenzial verstärkt werden sollte.

26-jährig zog es Joan Miró 1919 nach Paris, und so lag es nahe, dem zweiteiligen Tanzabend Kompositionen der legendären „Groupe des six“ zu Grunde zu legen, die sich hier klug mit dem Tanz verschwistern. Die Choreografie nutzt die musikalischen Impressionen von Poulenc, Satie, Milhaud, Auric, Tailleferre und Honegger für emotional kontrastreiche Ensemble- und Soloszenen mit klassischem und modernen Bewegungsmaterial. Saties elegische „Trois Gymnopédies“ tanzen Kai Onishi (Herz), Renato Jones (Springteufel) als intime Liebesträume. Der junge Miró erliegt einem Blätterwald voller Herzen und stürzt liebestoll in den ausgelassenen Ragtime für fünf Paare zu Darius Milhauds „Le boeuf sur le toit“. Im roten Bild zu Aurics „Ouvertüre“ jagt Miró mit seinen Kreationen furios dem Herzen nach. Im Halbschatten verfolgt der junge Mann mit vier anderen Männern das sphärisch schöne Solo der Herzdame. Kai Onishi tanzt auf Spitze mit fraulichem Liebreiz die Vision der Liebe, der sich Männerarme entgegenstrecken ohne sie zu erreichen, Miró fällt in slow-motion kopfüber in love. Germaine Tailleferres Klavierstücke sind mit Mut zu Emotion choreografiert und interpretiert.

Ein überzeugendes Schlussbild bündelt augenzwinkernd die poetischen Episoden: Wenn sich Miró wieder zum Publikum in die erste Reihe setzt und die weiße Leinwand betrachtet, über die er einen ausgebeulten Zinkdeckel gehängt hat, während eine Mistgabel über Hockern liegt und Requisiten aus dem Schnürboden fahren, wartet er wie wir alle darauf, dass die leblosen Dinge in der Phantasie lebendig werden. So könnte es endlos weitergehen.

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