Keine Tänzer zweiter Klasse

Der Wiener Ballettdirektor Gyula Harangozó über Wünsche und Pläne für 2006/07

Wien, 21/04/2006

„Ursprünglich war gar keine Ballett-Premiere an der Staatsoper für die Spielzeit 2006/07 vorgesehen“, meint Gyula Harangozó im Gespräch über seine zweite Saison. Nun aber kann er im Haus am Ring immerhin auf vier Wiederaufnahmen und eine halbe Premiere verweisen. Am 25. Dezember kommt der „wienerische“ Einakter „Platzkonzert“ von Harangozó sen., dem Vater von Gyula Harangozó, aus dem Jahr 1948 heraus, danach folgt die Wiederaufnahme des ältesten erhaltenen Wiener Balletts „Die Puppenfee“ (1888, Bayer/Hassreiter).

Neu einstudiert werden „La Fille mal gardée“ von Sir Frederick Ashton (18. 1. 07), „Manon“ von Kenneth MacMillan (15. 4. 07) und „Romeo und Julia“ von John Cranko (21. 6. 07). Ein Gala-Programm und zwei veritable Premieren finden in der Volksoper statt: „Anna Karenina“ von Boris Eifman (24. 11.), der bereits für das Neujahrskonzert choreografierte und „They will rock you - Tanzhommage an Queen“ von Ben van Cauwenbergh, dem Wiesbadener Ballettchef. Ersteres sei Kunst, meint Harangozó, Zweiteres vor allem Unterhaltung.

Vier Premieren wären in einer Spielzeit durchaus machbar, erklärt Harangozó, in der laufenden Saison aber seien sie terminlich schlecht platziert gewesen. In der Volksoper sei ihm das Musical „La Cage aux Folles“ gewissermaßen in die Quere gekommen, das nach tanzenden Allroundern verlangt. „Die Tänzer mussten steppen und singen lernen.“

Insgesamt zieht Harangozó eine positive Zwischenbilanz über sein erstes Jahr als Ballett-Direktor. Mit Stichtag Mittwoch gab es eine durchschnittliche Auslastung von 89,42 Prozent (Staatsoper) und 52,39 Prozent (Volksoper). Das schlechtere Abschneiden der Volksoper liegt an den nur zu 50 Prozent ausgelasteten Abenden der „Tschaikowski Impressionen“. Spitzenreiter war der „Nußknacker“ in der Staatsoper (99,8 Prozent).

Trotz der Anfangsschwierigkeiten, die Harangozó vor allem in der Volksoper sieht - „ein Haus mit wenig Profil“ - findet der ehemalige Erste Solist der Staatsoper die Zusammenlegung der beiden Ballettensembles sinnvoll. Für die Tänzer im Haus am Währinger Gürtel habe er die Gagen erhöhen können, eine „Zweiklassengesellschaft“ gibt es seiner Meinung nach nicht. Die Volksoper aber verfüge über eine andere Publikums-Schicht als die Staatsoper und müsse deswegen auch „einfacher“ programmiert werden.

Die Namen der Gastsolisten, diese Kategorie hat Harangozó bei seinem Amtsantritt im Herbst 2005 ja an Stelle der fest engagierten Ersten Tänzer eingeführt, stehen noch nicht ganz fest. Mit Polina Semionova und Vladimir Malakhov werde man aber auf jeden Fall rechnen können. Dass aus dem Ensemble wieder eine erkleckliche Zahl an potenten Tänzern ins Ausland geht, kümmert Harangozó auf Nachfrage schon. Darunter etwa die Solistin Shoko Nakamura, die im Mai noch im „Schwanensee“ zu sehen ist und zum Staatsballett Berlin geht. „Aber“, meint Harangozó, „ich brauche klassische Tänzer, Mädchen, die maximal 1,67 Meter groß sind und Burschen, die gut hinter ihnen stehen können.“

Was wünscht sich der mit einem Dreijahresvertrag (mit Option auf zwei weitere Jahre) an Wien gebundene Budapester? „Der utopische Wunsch: die Gleichstellung des Balletts mit der Oper. Der realistische: ein gut geformtes Ensemble mit solider klassischer Technik, das große Klassiker, aber auch moderne Stücke bewältigen kann.“ 

Mit freundlicher Genehmigung des Kurier

 

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