Was in der 1002. Nacht geschah

Emmanuel Chabriers Opéra-bouffe „L´Étoile“

oe
Zürich, 28/11/2006

Französische, eminent französische Opéra-Bouffe in der Nachfolge Offenbachs: das ist „L‘Étoile" (Der Stern), Jahrgang 1877, in allen Opern- und Operettenführern hochgepriesen, doch selbst in Frankreich kaum je auf der Bühne anzutreffen – an deutschen Bühnen schon gar nicht. Zum ersten Mal jetzt am Opernhaus Zürich, wo sich auch das angeblich so weltstädtische Publikum ziemlich schwer tat mit den rasanten französischen Dialogen und selbst die deutschen Übertitel mit ihrem Tempo nicht mithalten konnten, so dass viele der spitzfindig-geistreichen Pointen verpufften. Doch was tat‘s, da buchstäblich jede der kapriziösen musikalischen Nummern auch ohne Textverständnis förmlich im Ohr dahinschmolz. Kein Wunder, wenn sie so gleichsam auf Zehenspitzen serviert werden wie vom Zürcher Opernorchester, dem Chor und der hochkarätigen französischen Sängerbesetzung unter der Leitung des sprühend animierten und animierenden John Eliot Gardiner.

Eine Aufführung, die das Herz und die Sinne belebt wie ein Grand Cru Champagner aus dem Hause Dom Perignon! Das alles wäre noch kein Grund, hier auf sie hinzuweisen, und schon gar nicht ihres absurden Inhalts wegen vom dicken König Ouf, Herrscher über das Königreich der 23 Königreiche, und die liebliche Prinzessin Laloula, auserkoren ihn zu heiraten, die aber den armen Hausierer Lazuli liebt und zum Schluss natürlich auch bekommt, nachdem die Sterne interveniert haben und das Geschehen fast mit einem dreifachen Tod geendet hätte. Wohl aber weil hier schon wieder nach dem gerade erst referierten „Schlauen Füchslein“ von Janácek eine Opernaufführung geglückt ist, der die Choreografie ihren speziellen Charme verleiht.

Weit entfernt davon, eine Ballettoper daraus zu machen, akzentuiert und koloriert die Choreografie von Beate Vollack die etwas überkandidelte Inszenierung von David Pountney in einem Masse, die sie wie mit einem elektrisierenden Schuss Kohlensäure versehen moussieren lässt. Es ist eine wie mit einem Silberstift hingetupfte Choreografie – eine Kalligrafie aus gestischen Ornamenten, die exakt dem arabischen Ambiente entspricht, in das Pountney die Handlung aus dem französischen Fin de siècle in die Glitzer- und Glamourwelt der heutigen Emirate transplantiert hat, dass sie wie eine moderne Fortspinning der märchenhaften Erzählungen aus Tausendundeine Nacht wirkt: „L’Étoile“ als Operetten-Märchen von der Tausendundzweiten Nacht! Dabei gibt es so gut wie keine tänzerischen Einlagen, keine Divertissements und keine Ballette. Nur am Schluss explodiert das Happy-End in eine Folge von tänzerischen Shortcuts – aber es gibt nicht einmal einen richtigen Cancan (auch musikalisch nicht).

Für diese Art von Choreografie scheint Beate Vollack genau die richtige Hand zu haben. Die ehemalige Solistin der Komischen Oper Berlin, die als Mats Eks Giselle in München dann ihren entscheidenden künstlerischen Durchbruch hatte, hat inzwischen als choreografische Mitarbeiterin bei Operninszenierungen im In- und Ausland wachsende Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Mir war sie zuerst in Christoph Loys Münchner Inszenierung von Händels „Alcina“ positiv aufgefallen. Aber nie wäre ich danach auf die Idee gekommen, sie als choreografische Mitarbeiterin für eine Produktion dieses so eminent französischen Étoile zu engagieren. Doch wenn es nach Michelin-Manier auch für Choreografie Sterne zu verteilen gäbe, hätte sie sich sicher mit dieser Zürcher Arbeit ihren ersten Stern verdient!

Kommentare

Noch keine Beiträge