Durchgeknallte Elfe

Erna Ómarsdóttir & Jóhann Jóhannsson bei der Tanzwerkstatt Europa

München, 09/08/2006

Es gibt Menschen, die reden mit ihrem Kühlschrank. Es sollen auch Dialoge zwischen Mensch und Kaffeemaschine gehört worden sein. Oder Gespräche zwischen Mensch und Staubsauger, aber die fallen in eine andere Kategorie, da sie akustisch eher einseitig von der Maschine dominiert sind. Ebenso eingleisig sind die Reden, die der Anwender mit seinem Computer führt. Mag man selbst noch so laut werden: Der Computer schweigt. Jedenfalls normalerweise. In Island jedoch verhält es sich wieder einmal ganz anders.

So ist dem Programm zu „IBM 1401 – A User‘s Manual“ von Erna Ómarsdóttir und Jóhann Jóhannsson im i-camp zu entnehmen, dass diesem IBM 1401 das Singen beigebracht werden konnte. Wenn man den Computer neben einen Radioempfänger platzierte und entsprechend programmierte, dann ließ er sich kleine Melodien entlocken. Als der 1964 nach Island importierte Rechner einem Nachfolgemodell weichen musste, behandelte man ihn denn auch wie einen Menschen: Er wurde in einer feierlichen Zeremonie beerdigt, die Trauerreden wurden wie die Originalgeräusche des Computers (programmierte Parts einer alten isländischen Hymne) aufgenommen und nun zum Bestandteil des Soundtracks, den der findige Musiker Jóhannsson für seine Kooperation mit der Tänzerin Ómarsdóttir geschaffen hat.

Diese Geschichte und das Bühnensetting mit der Hammond-Orgel und dem kreisenden Lesley-Lautsprecher sind wunderbar schräg und poetisch. Ómarsdóttir mit blonden Locken und Kulleraugen sieht gut aus und trifft in ihrem ergreifenden, nordisch schweren Sologesang jeden Ton. Sie ginge für ein paar spannende Minuten als durchgeknallte Elfe durch, wenn sie sich krampft und schüttelt, hechelnd die Zunge herausstreckt, lasziv die Hüften schwingt, um gleich wieder zu zucken und zittern, sich auf den Boden knallen zu lassen (im Spagat!) und die Augen zu verdrehen. Für einen mit 45 Minuten sowieso recht kurzen Abend ist das allerdings zu wenig. Rasch erschöpft sich das Repertoire in der Wiederholung virtuoser Tricks aus der pathologischen Tic-Kiste. Die Tänzerin als Laborratte oder Mensch-Maschine nimmt man wegen ihrer überschießenden dynamischen und expressiven Möglichkeiten gerne, aber die Latte ist dank solcher Choreographen wie André Gingras oder vor allem Meg Stuart hoch gelegt. Die sympathischen Isländer haben sie leider gerissen.

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